Einen Mann mit dem Spitznamen Lord Voldemort stellt man sich böse vor. Doch alles, was über Bruno Iksil am Freitag aus dem Kreis von Kollegen und Konkurrenten gesprochen wurde - Fotos waren keine bekannt -, gemahnte weniger an den Schurken der Harry-Potter-Romane als an einen Durchschnittsmenschen der Londoner City: männlich, leicht dicklich, ein Milliardenzocker.

Solange es gut ging, konnte der Derivatehändler bei der US-Großbank JPMorgan seinem Eintrag im Finanzmarktsystem von Bloomberg zufolge "über Wasser gehen". Jetzt ist der Enddreißiger untergegangen und droht seine Bank mitzureißen.

"Schlimme Fehler, schlechtes Urteilsvermögen, falsche Strategie, falsch ausgeführt, schlecht überwacht": JPMorgan-Chef Jamie Dimon versuchte Donnerstagabend die Angst um den eigenen Job mit einer hysterischen Verurteilung seiner Londoner Investment-Abteilung zu überdecken, wo Iksil sein Wesen trieb. Anders als bei Kweku Adoboli, dem seit September in London inhaftierten Ex-Wertpapierhändler der Schweizer UBS, ist in Iksils Fall jedoch keineswegs von einem "rogue trader" die Rede. Schon vor Wochen hatte die Finanzpresse auf ungewöhnliche Bewegungen in einem Index für Kreditausfallversicherungen (CDS) hingewiesen und Iksil namentlich genannt.

Damals sprach Dimon von einem "Sturm im Wasserglas". In Wirklichkeit hat der Finanz-Hurrikan das New Yorker Institut binnen sechs Wochen zwei Milliarden Dollar gekostet, und es könnte mehr werden.

Dimon hatte JPMorgan ohne größere Beschädigung durch die globale Finanzkrise gesteuert. Der von Freunden zum "König der Wall Street" ausgerufene Manager hat in USA lauthals gegen härtere Kapitalkontrollen gewettert, die bessere Aufsicht über Großbanken sogar als " unamerikanisch" denunziert. Jetzt "stehen wir dumm da", räumt Dimon ein.

Das gilt auch für die Londoner City, wo Iksil und seine Vorgesetzten ihre gefährlichen Milliarden-Deals tätigen durften. Der Franzose reiste dazu jede Woche aus Paris an. Das wichtigste Finanzzentrum der Welt sei im krisengeschüttelten Großbritannien "ein unentbehrlicher Teil unseres Wirtschaftslebens und führend im Export innovativer Produkte", sagt Chef-Lobbyist Stuart Fraser. Aus aller Welt würden hier "die Klügsten und Besten" für ihre Finanzgeschäfte zusammenkommen. Oder sind es doch nur die Geldgierigsten und Risikofreudigsten?(Sebastian Borger, DER STANDARD, 12./13.5.2012)