Frühling ist's, und die ÖVP schlägt aus, jetzt fährt ein Hammer nach dem anderen auf das Volk nieder. Kaum hat sich in der Funktionärsbasis der Volkspartei die Begeisterung über den per Verhaltenskodex verordneten Besuch im Ethik-Seminar gelegt, holt der Parteivorsitzende zum nächsten Schlag aus: Montag wird die Hofburg wieder einmal Schauplatz einer "Österreich-Rede" sein. Wenn die Parteigranden dort nur ebenso gut von unserer Polizei abgeschirmt werden wie die gefährlichen Elemente, die sich am 8. Mai auf dem Heldenplatz versammelten, um der Niederlage der Nazidiktatur und der Wiedergeburt der demokratischen Republik nach elf Jahren des Faschismus zu gedenken! Wie leicht hätte da ein gefährlicher Funke der Unzufriedenheit mit der landesüblichen Aufarbeitung der Vergangenheit die Umzäunung des heroischen Areals überspringen können, wäre da nicht eine sorgende Obrigkeit mit strenger Zernierung präsent gewesen.

Wer weiß schließlich, welche Knaller Michael Spindelegger explodieren zu lassen gedenkt, um die Bevölkerung mit dem alljährlichen Neustart seiner Partei direktdemokratisch aufzuwühlen? Und für eine solche Aufwühlung wird es langsam Zeit, dürfen die Bürgerinnen und Bürger doch nach einer zähen fünfjährigen Legislaturperiode 2013 endlich wieder einmal indirektdemokratisch mitreden. Weshalb die Angst wächst, kaum noch der Hälfte von ihnen könnte das ein Bedürfnis sein.

Der Ausbau der direkten Demokratie wird daher sicher einer der Hits sein, mit denen Spindelegger am Montag aufwartet. Das ist zwar nur noch begrenzt originell, aber wie wichtig ihm dieses Anliegen ist, geht daraus hervor, dass er es in berufenen Händen wissen will. Auf seine "Demokratie-Expedition" in die Schweiz hat er den Kolumnisten eines österreichischen Blattes mitgenommen, in dem die direkte Demokratie bekanntlich zu Hause ist, und der ihm mit seiner Expertise über zweimal eine ganze Seite vor seinem Großauftritt den Rücken mehr stärkt als viele seiner Parteifreunde: "Mitbestimmung fördert Zufriedenheit."

Kann ja sein, auch wenn diesbezügliche Erfahrungen in Österreich das nicht unbedingt bestätigen. Garantiert förderlicher sind der Zufriedenheit in Zeiten wie diesen Grundsätze und Ideen, wie in Österreich Beschäftigung gesichert werden, wie sich die Schere zwischen Arm und Reich wieder schließen kann, wie soziale Gerechtigkeit nicht einem ungezügelte Sparwahn geopfert, sondern ausgebaut wird. Wie die Jugend in den Genuss einer den Anforderungen der Zeit entsprechenden Ausbildung kommt, welche Rolle Österreich in Europa spielen soll und einiges mehr.

Mehr als um die Form von Abstimmungen geht es um die Inhalte der Politik, und dass diese auch sauber sein soll, müsste demnächst abgehakt sein. Wer dazu Ideen hat, braucht sich weder vor Strache noch vor Stronach zu fürchten. Dessen Angebot der politischen Simonie, wenn auch vorgetragen in einem originellen Dialekt, kann keine ernstzunehmende Partei erliegen. "Die ÖVP und ich, wir haben gelernt aus dem, was war", versprach Spindelegger in News. Den Beweis dafür muss er Montag erbringen. (Günter Traxler, DER STANDARD, 11.5.2012)