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Die Bayern ließen der Hypo ihr Eigenleben, sagt der Gutachter.

Foto: APA/Kneffel Peter

Wien - Das Match Österreich gegen Bayern rund um die verstaatlichte Hypo Alpe Adria verspricht noch spannend zu werden. Die BayernLB hat ja auf Rückzahlung des Kaufpreises geklagt; sie fühlt sich von den Verkäufern getäuscht. Die Österreicher prüfen nun Schadenersatzforderungen gegen BayernLB und Ex-Banker. Basis dafür ist das Gutachten über die Vorgänge unter Münchner Regime von 2007 bis Ende 2009, das die Hypo von Wirtschaftsprüfer Fritz Kleiner hat anfertigen lassen.

Im Kapitel "Eigene Beteiligungen" dürften die Juristen Stoff für ihr Vorhaben finden. Der Gutachter dazu: "Hätte sich der neue Vorstand von Anfang an mit Werthaltigkeiten ... und wirtschaftlichem Eigenleben der Leasinggesellschaften ... beschäftigt, wäre ein wesentliches Verlustpotenzial früher erkannt worden, man hätte gegensteuern können." Lesern bietet sich jedenfalls das Bild einer Bank, deren Manager auch von den neuen Eigentümern völlig von der Leine gelassen waren.

Warnglocken allerorts ignoriert

Dabei waren die Bayern, die den Kaufvertrag im Mai 2007 unterschrieben, von ihren Beratern vorgewarnt. Im Due-Diligence-Bericht schrieben die, dass "kein zentrales Beteiligungsmanagement und -Controlling besteht". Und die Aufseher von der Nationalbank hatten die Hypo-Beteiligungen schon 2006/2007 kritisiert und "eine tendenzielle Verschlechterung von Kreditportfolios" festgestellt. Reagiert wurde offenbar jahrelang nicht, vor allem die Leasing-Töchter fuhren jede Menge Probleme ein. Aus einem Wirtschaftsprüferbericht für 2008: "Der Durchgriff der Leasing Holding in die Töchter hat versagt, da die Tochtergesellschaften ein teilweises Eigenleben führen. Eine Portfoliosteuerung auf Leasing-Konzernebene fehlt, sowie auch eine zielgerichtete Kommunikation in die Töchter."

Anhand der Ukraine, wo die Hypo im ersten Quartal 2007 per Leasinggesellschaft eingestiegen ist, wird das recht deutlich. So begründete der zuständige Manager den Einstieg in Kiew: "Durch den Zugang zu den wesentlichen Oligarchen des Landes ... kombiniert mit dem Wachstum des Gesamtmarktes bestehen überaus hohe Entwicklungsmöglichkeiten vor Ort." Die sahen wie man heute weiß, so aus, dass, zum Beispiel, riesige oligarchische Hühnermastfarmen samt Käfigen finanziert (und notleidend) wurden, und die Kreditrisikovorsorgen 2009 rund 42 Mio. Euro erreichten, der Verlust 53 Mio. Euro.

Sehr potent dürften die wesentlichen Oligarchen nicht gewesen sein: Die zehn größten Kunden verursachten 90 Prozent der gesamten Rückstände, hat der Gutachter errechnet. Und: Zwar berichteten die Banker dem Aufsichtsrat im April 2009 von einem "Stop für Neugeschäfte in der Ukraine seit Dezember 2008" - in den Büchern scheinen aber 176 neue Verträge für diese Zeit auf.

Leger lief es auch in Bulgarien, wo man von 2006 bis Ende 2008 ganz ohne Prüfungen auskam. Mitte Juni 2008 bat zwar die Geschäftsführung den Aufsichtsrat um eine Prüfung durch die interne Revision, "aber es erfolgte keine Reaktion seitens dieses Gremiums". Interne Prüfungen der Gesellschaft, die laut Gutachter "mit überaus großen Kompetenzen" ausgestattet war, gab es erst 2009, als die Verluste bekannt wurden. In der Zeit dazwischen war ein Manager, "der ständig höhere Pouvoirs forderte" in Bulgarien entlassen worden, den schon sein Ex-Arbeitgeber wegen Unregelmäßigkeiten losgeworden war.

"Irreale" Ideen

Sehr optimistisch gingen die Banker 2006 auch das Leasinggeschäft in Mazedonien an: Für 2010 planten sie laut ihrer Präsentation 2006 Finanzierungen von 138 Mio. Euro. Um gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass die Arbeitslosenrate 30 Prozent betrage und "das System politisch instabil" sei. Was den Gutachter über allfällige "Irrealitäten" räsonieren lässt.

Irreale Ideen hegten freilich auch die Hypo-Chefs - und sie hegten sie auch noch, als die Bank schon fast pleite war. So wurde Franz Pinkl am 10. Dezember 2009 vom Aufsichtsratspräsidenten Michael Kemmer die betriebswirtschaftliche Gretchenfrage gestellt, ob der Vorstand eine positive Fortführungsprognose abgeben könne. Pinkl bejahte, Kapitaleinschuss von zwei Mrd. Euro vorausgesetzt. Vier Tage später wurde die Bank vom Staat aufgefangen, mit 1,5 Mrd. Euro Kapital und vier Mrd. Euro für die Liquidität. (Renate Graber, DER STANDARD, 11.5.2012)