Bild nicht mehr verfügbar.

Eine Variante des Irokesen, gesehen in London.

Foto: REUTERS/Luke MacGregor

Die Geschichte des Irokesen ist eine des Stolzes und des Außenseitertums. Mit Stolz trugen Angehörige des indigenen nordamerikanischen Stammes ihr Haupthaar. Die Seiten wurden ausrasiert oder ausgerissen - ein Indianer kennt keinen Schmerz.

Haarschnitt aus dem Wilden Westen

Womit die amerikanischen Ureinwohner diesen nach ihnen benannten Haarschnitt festigten, ist nicht überliefert. Aber als in den 1970er-Jahren Bleichgesichter als falsche Irokesen auftauchten, sich Punks nannten und mit dem Haarschnitt aus dem Wilden Westen bürgerliche Aufregung verursachten, hielten Haarspray und Gels den oft bunt gefärbten Kamm erigiert. Das bedeutete immer wieder Prüfungen für den Stolz ihrer Träger.

Britische Punks etwa waren eher mit Haarspraydosen denn mit Pflastersteinen bewaffnet. Bei typischem Inselwetter sah man Punks, die sich nach dem Betreten eines Pubs mit triefendem Haar zuerst auf die Toilette verfügten. Dort machten sie sich mit Haarspray wieder, nun ja, gesellschaftsfähig, bevor sie ihr Pint erhoben und wie wild auf keine Zukunft tranken.

Praktisch ist er nicht

Anhand dieser Beobachtung merkt man schon: Praktisch ist so ein Irokese nicht. Zumindest nicht der Haarschnitt, und unter diesen keiner, der seine Bezeichnung verdient.

Denn der Mainstream absorbierte aus der Subkultur auch den Irokesen. Fußballer David Beckham sorgte vor zehn, zwölf Jahren für goldene Zeiten in den Coiffeurstuben und machte den sogenannten Wohlstandsirokesen mehrheitsfähig. Es ist dies eine feige, fast schon muttertagstaugliche Variation, bei der sich der Kamm nur wenig erhebt und die Seiten nur kurz-, nicht jedoch abgeschoren werden. Robert De Niro hätte als "Taxi Driver" darüber hämisch gelacht.

Stahlhelm und Wackelpopo

Vor dem Gerichtshof in Den Haag wurden wiederum Irokesenversionen gesichtet, die so unerheblich waren, dass sie selbst unter einem Stahlhelm nicht störten. Heute vertreten große Söhne unserer Heimat dieselbe beim Eurovision Song Contest und tragen ihren Iro dort samt Wackelpopo zur Schau. Man kann also sagen, der Irokese wurde zwar um ein Haar ausgerottet, seine Frisur aber hat überlebt. Mehr noch, sie ist in der Gesellschaftsmitte angekommen.

Nur die Tourismusschule in Villach sieht das anders. Dort wurde ein 16-jähriger Schüler wegen einer Irokesenart, die als Boxer-Schnitt bekannt ist, vom Unterricht suspendiert. - Schon wieder eine Prüfung für den Stolz des Irokesen. (Karl Fluch, DER STANDARD, 10.5.2012)