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Ein Blick in den "Briefing Room" im Weißen Haus: der Präsident live im Fernsehen

Foto: Carolyn Kaster/AP/dapd

Washington - Paukenschlag im US-Wahlkampf: Ein halbes Jahr vor der Abstimmung hat sich Präsident Barack Obama erstmals öffentlich für die Homoehe stark gemacht. In einem Fernsehinterview erklärte Obama am Mittwochabend (Ortszeit), Schwule und Lesben sollten genauso wie heterosexuelle Paare heiraten können - mit den gleichen Rechten und Pflichten. Er stellt sich damit gegen seinen designierten republikanischen Widersacher Mitt Romney, der eine Gleichstellung homosexueller Paare mit der klassischen Ehe ablehnt.

Obamas Schritt dürfte zu einer noch stärkeren Polarisierung im Wahlkampf führen. Die Homoehe gehört wie die Wirtschaftspolitik zu den besonders umstrittenen Themen, die wahlentscheidend sein könnten. Am vergangenen Wochenende war der Druck auf Obama gewachsen, seine Position in dieser Frage klarzustellen. Sein eigener Vizepräsident Joseph Biden setzte ihn unter Zugzwang, indem er in einer TV-Talkshow sagte, dass er selbst überhaupt keine Probleme mit Homoehen habe.

Bisher hatte sich der Präsident lediglich für eingetragene Partnerschaften von Homosexuellen stark gemacht - zwar mit gleichen Rechten, wie sie traditionelle Ehen mit sich bringen, aber nicht als "Ehe" definiert. Seine Meinung darüber habe sich im Laufe der Jahre "weiterentwickelt", sagte Obama am Mittwoch in dem Interview des Senders ABC.

Obama stellte in dem Interview heraus, dass es sich um seine persönliche Auffassung handle, die auch seine Frau Michelle teile. Zugleich zeigte er sich überzeugt davon, dass im Laufe der Zeit immer weniger Amerikaner Probleme mit Homoehen hätten. Als Beispiel nannte er seine eigenen Töchter: "Malia und Sasha haben Freunde mit Eltern, die gleichgeschlechtliche Paare sind." Die beiden Mädchen sind 13 und neun Jahre alt.

In Regierungskreisen hieß es, Obama habe eigentlich geplant, das Thema beim Parteikongress der Demokraten im Sommer anzusprechen. Nach Bidens Interview am Sonntag bombardierten Journalisten jedoch Pressesprecher Jay Carney mit Fragen zu Obamas Haltung.

Lob erhielt Obama von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International und dem unabhängigen New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg. Die Gruppe Human Rights Campaign bescheinigte Obama eine historische Erklärung.

Kardinal Timothy Dolan, Vorsitzender der katholischen Bischofskonferenz, nannte die Äußerung laut Kathpress dagegen "sehr betrüblich". "Die Menschen dieses Landes und besonders die Kinder haben Besseres verdient", erklärte der Erzbischof von New York am Mittwochabend (Ortszeit).

Lob erhielt Obama von anglikanischen Bischof Gene Robinson, dem ersten bekennenden homosexuellen Bischof der Episkopalkirche in den USA. Seine Weihe vor neun Jahren hatte zu großen Spannungen in der anglikanischen Weltgemeinschaft geführt. Obama stelle sich auf die richtige Seite der Geschichte, sagte Robinson laut Kathpress.

Geringe juristische Bedeutung

Obama ist der erste US-Präsident, der sich für die Homo-Ehe ausspricht. Juristisch ist dies von geringer Bedeutung: In den USA entscheiden die Bundesstaaten darüber, wer heiraten darf. In 28 Staaten ist die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert, in sechs Staaten und dem Regierungsbezirk existiert dagegen die Homoehe. In weiteren neun Bundesstaaten, etwa Kalifornien, können Homosexuelle eingetragene Partnerschäften unterschiedlicher Prägung schließen, die allerdings nicht der Ehe gleichgestellt sind. Allerdings gibt es auch gegenläufige Entwicklungen: So sprachen sich die Bürger North Carolinas in einem Referendum dafür aus, alle Formen eingetragener Partnerschaften von Homosexuellen zu verbieten.

Einer Umfrage von Reuters/Ipsos zufolge sind mehr als 39 Prozent der US-Bürger für die Homoehe. 23,5 Prozent unterstützen eingetragene Lebenspartnerschaften für Homosexuelle, aber keine Ehe, und fast 27 Prozent sind gegen beide Formen. Auffällig ist die Trennung nach politischen Lagern: Unter Obamas Demokraten liegt die Zustimmung bei fast zwei Drittel, bei den Republikanern unter einem Viertel und bei Unabhängigen bei etwa der Hälfte. (APA, 10.5.2012)