Oslo/Stockholm - Im Prozess gegen den geständigen Massenmörder Anders Behring Breivik haben am Mittwoch vor dem Gericht in Oslo erstmals Überlebende des Massakers auf der Insel Utöya ausgesagt. Breivik hatte im Juli 2011 auf Utöya 69 Teilnehmer eines Sommerlagers der Sozialdemokraten getötet. "Wir fühlten uns vollkommen verlassen und glaubten nicht, dass wir überleben würden", sagte eine 24-Jährige, die die Zeitung Aftenposten zitiert. "Viele riefen zu Hause an, um sich von ihren Lieben zu verabschieden."

Die junge Frau und mehrere andere zum Teil schwer verletzte Jugendliche hatten sich vor Breivik in einer Felsspalte versteckt. Sie hätten versucht, einander zu beruhigen, sagte die junge Frau am Mittwoch. Die Schüsse und die Schreie ihrer Freunde hätten sie deutlich hören können. Außerdem habe sie gehört, dass Breivik nach den Schüssen gejubelt habe.

Mehrere Zuhörer weinten, während die Zeugin schilderte, dass direkt vor ihr zwei Jugendliche zu Boden sanken. Auch Oddvar H. sagte aus. Er hatte mit seinem Boot mehrere von der Insel geflohene Jugendliche gerettet.

Mittwochvormittag hatte sich das Gericht mit weiteren Obduktionsberichten befasst. Für jeden getöteten Jugendlichen wurden dabei Gedenkworte der Hinterbliebenen verlesen. Die Familie der 17-jährigen Gizem D. ließ die ermordete Tochter über einen Eintrag in ihrem Blog selbst zu Wort kommen: "Ich fühle mich so wohl in Norwegen, ich bin stolz dar- auf, Muslimin mit norwegischer Staatsbürgerschaft zu sein", hatte G. kurz vor dem Attentat geschrieben. Jüngstes Opfer war die gerade 14 Jahre alt gewordene Sharidyn S. Breivik tötete sie mit zwei Schüssen in den Rücken. (DER STANDARD, 10.5.2012)