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Rot-grüne Wahlgeschenke: Sozialdemokratin Hannelore Kraft (Mitte) und ihre Vizeregierungschefin Sylvia Löhrmann wollen weiterhin in Nordrhein-Westfalen regieren.

Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay

Am Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen gewählt. SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft will weiterhin mit den Grünen regieren. Ihr Credo: Nicht nur sparen, auch investieren. Mit ihr sprach Birgit Baumann.

Standard: Rot-Grün hat vergangenen Sonntag in Schleswig-Holstein keine eigene Mehrheit geschafft. Sind Sie sicher, dass es an diesem Wochenende in Nordrhein-Westfalen klappt?

Kraft: Ich bin sehr zuversichtlich. Man kann die beiden Bundesländer nicht vergleichen. In Nordrhein-Westfalen herrscht keine Wechselstimmung. Wir brauchen klare Verhältnisse, damit wir in Berlin auch mit einer stärkeren Stimme sprechen können.

Standard: Sie haben in Düsseldorf keinen Südschleswigschen Wählerverband, der Rot-Grün unterstützen kann. Und die Piraten werden auch hier stark abschneiden.

Kraft: Das werden wir noch sehen. Wir haben uns in den vergangenen Wochen mit den Piraten stark inhaltlich auseinandersetzt, was ich für sehr wichtig halte. In Nordrhein-Westfalen wollen sie kostenlosen Nahverkehr anbieten. Ich habe das mal durchrechnen lassen. Es würde 4,5 Milliarden Euro kosten. Aber wie es finanziert werden soll, sagen sie nicht.

Standard: Die Opposition wirft auch Ihnen vor, zu wenig zu sparen. Nordrhein-Westfalen ist hochverschuldet.

Kraft: Wir haben im ersten Haushalt, den wir zu verantworten hatten, 750 Millionen Euro eingespart. Im zweiten, der dann nicht mehr durchgekommen ist, wäre es sogar eine Milliarde Euro gewesen. Unsere schwarz-gelbe Vorgängerregierung im Land hatte noch mit einer Neuverschuldung von 6,5 Milliarden Euro geplant, wir jedoch senkten sie auf drei Milliarden Euro. Wir sagen aber auch ganz klar: Es muss auch Investitionen in Bildung, Kinderbetreuung und Kommunen geben. Dieses Sparen mit Augenmaß werden wir weiterverfolgen. Dazu braucht es auch höhere Einnahmen.

Standard: Wie wollen Sie diese hereinbekommen?

Kraft: Starke Schultern müssen mehr tragen. Daher sieht unser Konzept eine Erhöhung der Erbschafts- und Vermögensteuer vor. Außerdem wollen wir die Finanztransaktionssteuer einführen.

Standard: All diese Maßnahmen fallen aber in die Kompetenz des Bundes.

Kraft: Richtig. Aber es gibt ja im Jahr 2013 Bundestagswahlen. Und auch die Regierung des Saarlandes hat sich schon in diese Richtung geäußert. Vielleicht schaffen wir noch vor 2013 eine Bundesratsinitiative. Der Wahlsieg von François Hollande in Frankreich zeigt ja auch: Die reine Austeritätspolitik, die Frau Merkel betreibt, hat keine Zukunft. Wir Sozialdemokraten haben immer gesagt: Sparen ist wichtig, Schuldenabbau auch. Aber wir müssen auch Wachstumsimpulse setzen.

Standard: Mehr Einnahmen bekämen Sie durch das Steuerabkommen, das Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) mit der Schweiz ausgehandelt hat. Warum wehrt sich gerade Nordrhein-Westfalen so vehement gegen die Umsetzung?

Kraft: Die prognostizierten Einnahmen sind völlig überhöht. Wir wissen alle, dass diejenigen, die dort ihr Schwarzgeld liegen haben, es nicht liegen lassen, wenn es keine rückwirkende Erfassung gibt. Sie würden es einfach in die nächste Steueroase transportieren. Das ist eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage, weil sich diejenigen nicht an der Finanzierung des Gemeinwesens beteiligen.

Standard: In Nordrhein-Westfalen liegt die regierende SPD in Umfragen rund zehn Punkte über dem Wert der oppositionellen Bundes-SPD. Was machen Sie besser?

Kraft: Als die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2005 nach 39 Jahren in der Regierung abgewählt wurden, haben wir uns damit intensiv auseinandergesetzt. Die Grundlagen für die Rückkehr nach oben schufen wir in einem fünfjährigen Prozess mit sehr vielen parteiinternen Diskussionen. Die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen sind nicht nur inhaltlich stark, sondern auch sehr geschlossen. Das wirkt.

Standard: Noch ist die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur für 2013 offen. Bei einem Wahlsieg am Sonntag kämen Sie doch auch in den Kreis der Kandidaten?

Kraft: Wir werden vor der Bundestagswahl zuerst die Inhalte festlegen und dann die Personalentscheidung treffen. Und mein Platz ist in Nordrhein-Westfalen.

(DER STANDARD, 10.5.2012)