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Durch die neue WHO-Richtlinie können gezielte therapeutische Maßnahmen zur Kinderwunschbehandlung eingeleitet werden.

Foto: APA/Jan Woitas

Zeugungsfähig oder nicht? Die Untersuchung des Ejakulats hat einen zentralen Stellenwert bei der Diagnose der männlichen Unfruchtbarkeit.

Etwa jedes sechste Paar in Deutschland ist ungewollt kinderlos. Die Ursachen dafür liegen zu gleichen Teilen bei Mann oder Frau oder bei beiden, weshalb bei unerfülltem Kinderwunsch immer auch die Rolle des Mannes berücksichtigt werden muss. 

Mindestens sieben Prozent sind zeugungsfähig

"Mindestens sieben Prozent aller Männer im fortpflanzungsfähigen Alter haben zeitweise Probleme mit der Zeugungsfähigkeit", weiß Sabine Kliesch, Pressesprecherin der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. Dafür können zum Beispiel Hodenhochstand im Kindesalter, Hormonstörungen, eine Infektion der Samenwege, Krampfadern im Hoden, genetische Ursachen oder andere Allgemeinerkrankungen verantwortlich sein. Auch Nikotin, Stress, Alkohol, Übergewicht, Umwelteinflüsse, Drogen, Doping mit anabolen Steroiden oder Medikamenteneinnahme können die männliche Fruchtbarkeit negativ beeinflussen.

"Mit der neuen WHO-Richtlinie wird flächendeckend ein hoher Qualitätsstandard in andrologischen Laboren etabliert und Vergleichbarkeit erreicht“, sagt Kliesch. Für die betroffenen Männer bedeute das mehr Sicherheit bei der Abklärung der Ursachen der männlichen Infertilität. In Folge können gezielte therapeutische Maßnahmen zur Kinderwunschbehandlung eingeleitet werden.

Diagnosemöglichkeiten

Zur Diagnose dienen der Ultraschall des Hodens, eine Blutuntersuchung zur Bestimmung des Hormonhaushalts und die Analyse einer Samenprobe, die unter anderem die Parameter Volumen und pH-Wert des Ejakulats sowie Gesamtzahl, Konzentration, Beweglichkeit, Form und Vitalität der Spermien erfasst.

Die Untersuchung erfolgt nun nach den strengen Kriterien der fünften und neuesten Überarbeitung der WHO-Richtlinie von 2010, die inzwischen im "WHO Laborhandbuch" übersetzt wurde und Grundlage der aktuellen Richtlinie der Bundesärztekammer zur Qualitätssicherung laboratoriumsmedizinischer Untersuchungen ist.

Für die Bewertung der genannten Parameter der Ejakulatanalyse legt die WHO-Richtlinie neue untere Grenzwerte fest. Sie beruhen erstmals auf evidenzbasierten Daten, die in einer weltweiten Studie (T.G. Cooper et al.) mit mehr als 4500 Männern aus 14 verschiedenen Ländern auf vier Kontinenten erhoben wurden und deutlich unter den vorigen Richtwerten von 1999 liegen.

"Männer, deren Samenqualität unterhalb der Referenzwerte liegt, werden mit großer Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten haben, eine spontane Schwangerschaft auszulösen", so die Chefärztin des Centrums für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) in Münster. Darüber hinaus macht die WHO neue Vorgaben bei der Spermienpräparation und legt Mindestanforderungen für die Qualitätssicherung in andrologischen Laboren in Form einer internen und externen Qualitätskontrolle fest.

Spermiengewinnung aus dem Hoden

"Zur schnellen Umsetzung der Richtlinie initiieren die DGU und die Deutsche Gesellschaft für Andrologie e.V. (DGA) bereits seit 2011 bundesweite Fortbildungen", unterstreicht Kliesch, deren Klinik WHO Kollaborationszentrum und WHO Referenzlabor in Deutschland ist. In der Übergangsfrist bis 2013 rät sie den Betroffenen, im Einzelfall nachzufragen, ob die Ejakulatanalyse nach dem WHO-Standard 2010 erfolgt.

Männern mit eingeschränkter Samenqualität macht die Urologin Mut: "Selbst bei der schwersten Form der Unfruchtbarkeit, wenn keine Spermien im Ejakulat vorhanden sind, lassen sich bei rund 50 Prozent der Betroffenen Spermien operativ aus dem Hoden gewinnen. Sie können eingefroren und zur künstlichen Befruchtung verwendet werden."

Nichtrauchen bester Schutz vor Unfruchtbarkeit

Nichtrauchen soll der beste Schutz vor männlicher Unfruchtbarkeit sein. "Rauchen senkt die Befruchtungsrate um die Hälfte", so Sabine Kliesch. Die Wirkung von Nahrungsergänzungsmitteln auf die Samenqualität bleibe, trotz positiver Ergebnisse einer Cochrane-Übersichts-Studie aus dem Jahr 2011, unter Experten umstritten, betont die DGU-Pressesprecherin.

In Deutschland nehmen jährlich rund 200 000 Paare eine reproduktionsmedizinische Behandlung in Anspruch. In 29 Prozent kommt es zu einer Schwangerschaft. (red, derStandard.at, 8.5.2012)