Berlin/Schönefeld - Der Start des neuen Hauptstadtflughafens muss kurz vor der Eröffnung überraschend verschoben werden. Weil die Brandschutztechnik nicht ausgereift ist, geht das Milliardenprojekt nicht wie geplant am 3. Juni in Betrieb, sondern verzögert sich um mindestens zwei Monate. Es ist die zweite Verschiebung, ursprünglich war der 30. Oktober 2011 als Eröffnungstermin vorgesehen. Nach der Terminabsage wurde Kritik an der Planung und an den Verantwortlichen laut. Urlauber und Geschäftsreisende sollen in der Zwischenzeit die beiden bestehenden Berliner Flughäfen nutzen können.

Der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), der auch Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft ist, erfuhr nach eigenen Worten erst am Montagabend von der "bitteren Erkenntnis". Die Gesellschafter - Berlin, Brandenburg und der Bund - könnten sich über die Sicherheitsbedenken nicht hinwegsetzen: "Sicherheit hat Vorrang". Der deutsche Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nannte es "höchst bedauerlich, dass der Flughafen nicht pünktlich eröffnet".

Der Chefplaner des neuen Airports, Technik-Geschäftsführer Manfred Körtgen, begründete die kurzfristige Entscheidung mit der Brandschutztechnik inklusive einer großen Belüftungsanlage, die nicht den nötigen Reifegrad habe. Der TÜV könne sie deshalb bis zum 3. Juni nicht genehmigen.

Brandenburgs Ministerpräsident "stocksauer"

Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, er "verhehle nicht, dass ich stocksauer bin, so eine Überraschung darf nicht kurz vorher passieren".

Trotz der Pleite will Flughafen-Chef Rainer Schwarz weitermachen: "So intensiv, wie ich bisher für dieses Projekt gearbeitet habe, bin ich bereit, weiterzuarbeiten, und das wird auch so der Fall sein." Er könne sich "nur entschuldigen für die Situation".

Wegen der Entscheidung sollen keine geplanten Flüge ausfallen, sondern über die bisherigen Flughäfen in Tegel und Schönefeld abgewickelt werden. Die Gesellschaft Air Berlin, die am neuen Flughafen ein Drehkreuz aufbauen will, rechnet durch den Aufschub mit erheblichen Mehrkosten. Die Lufthansa will ihren zum Sommer deutlich ausgeweiteten Flugplan ab Berlin auch so erfüllen. "Die geplanten zusätzlichen Flüge sollen in jedem Falle starten", sagte ein Sprecher.

Auch die Deutsche Flugsicherung (DFS) wurde von der verschobenen Eröffnung nach einem Bericht der "Financial Times Deutschland" überrascht. "Wir müssen alle betroffenen Fluggesellschaften weltweit darüber informieren, dass sie ihre Abläufe ändern müssen", sagte DFS-Geschäftsführer Ralph Riedle. Das sei für alle Beteiligten ein erheblicher Aufwand.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle kritisierte die Verschiebung als schweren Imageschaden. "Für Deutschland, für die Bundeshauptstadt ist das eine peinliche Blamage."

Die deutsche Luftfahrtbranche dringt darauf, dass die Probleme am Hauptstadtflughafen zügig behoben werden. Weder Passagiere noch die Fluggesellschaften sollten lange unter der Verzögerung leiden müssen, erklärte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, Klaus-Peter Siegloch.

Harsche Kritik an Projektmanagement

Der Grünen-Verkehrsexperte im Bundestag, Anton Hofreiter, bezeichnete im "Handelsblatt" das Projektmanagement der Flughafengesellschaft als "erstaunlich unprofessionell".

Die Terminverschiebung ist für das Aktionsbündnis für ein lebenswertes Berlin-Brandenburg kein Anlass zum Jubeln. "Die Probleme werden dadurch nicht gelöst", sagte Sprecher Matthias Schubert. Kritikpunkte seien weiterhin die Flugrouten und die Drehkreuzlage, über die den Bürgern kein reiner Wein eingeschenkt worden sei.

Mit Blick auf die Baufirmen sagte Wowereit: "Wir behalten uns Regressforderungen vor." Wenn es technische Probleme gebe, "muss es auch Ehrgeiz der Unternehmen sein, dass das läuft". Zu den Kosten der Verschiebung sagte Wowereit, einige Maßnahmen zur Beschleunigung müssten nun nicht bezahlt werden. Andererseits gingen Millionenbeträge als Einnahmen verloren, die aus höheren Entgelten einkalkuliert worden seien.

Mit der Inbetriebnahme des neuen Flughafens wird Tegel im Westen der Stadt geschlossen. Der City-Airport Tempelhof ist bereits seit 2008 außer Betrieb. (APA, 8.5.2012)