Frische Luft
Danke vielmals: Wir dürfen also den Brenner sperren und den Anrainern ein paar Stunden frische Luft ermöglichen, wenn die Frächter dafür den Menschen am Tauern und an anderen Transitpässen die Bude vollräuchern. Das nennt der EuGH dann "Gleichgewicht zwischen dem Schutzbedürfnis der Demonstranten und den Erfordernissen des freien Warenverkehrs". Im Klartext heisst dies: Die Menschen dürfen zwar gegen eine menschenverachtende Globalisierung sein, sie dürfen nur nichts wirksames gegen sie tun.
Noch etwas stellten die Richter fest: Nicht Einzelpersonen seien klagbar (beklagt war das Transitforum Tirol), sondern der Staat Österreich, wenn er keine "Rahmen- und Begleitmaßnahmen" trifft, durch die "Störungen des innergemeinschaftlichen Handels vermieden werden". Fragt man sich, was diese Maßnahmen sein sollen: Die Tiroler Gendarmerie hat den Verkehr umgeleitet. Die Polizei in Genua hat eher die Demonstranten "umgeleitet", mit Knüppeln, Tränengas und tödlichen Schüssen. Wieviel muss der Staat "tolerieren" (von einem Recht, das in der Verfassung steht), bevor er selbst "straffällig" wird und "Entschädigung" bezahlen muss?
Eine Frage der Angemessenheit
Beim französischen Frächterstreik 1997 hat die EU-Kommission bereits mit Sanktionen gedroht, wenn die Regierung nichts "angemessenes" unternimmt. Was ist angemessen, um einen Arbeiter von der Straße zu bringen, den die EU-Kommission selbst mit ihrer ungezügelten Liberalisierungspolitik vom Fahrersitz auf den Schleudersitz gebracht hat? Das hat der EuGH nicht dazu gesagt.
Aber wem fällt schon noch auf, wie Stück für Stück immer weitere Bereiche der Politik und damit den Menschen weg genommen werden. Das neueste EU-Grünbuch über "Leistungen im öffentlichen Interesse" ist darin übrigens ein absoluter Totschläger: Politik darf das verwalten, was "der Markt" übrig lässt. Aber davon mehr in einer anderen "Fremden Feder".
Nachlese