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Foto: Reuters/Zvulun

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu geht in den Wahlkampf und mit ihm der Rest von Israel. "Wir werden eine breite Regierung gründen und den israelischen Staat weiterhin mit Kraft führen, um die Zukunft der israelischen Nation und des israelischen Staates sicherzustellen", erklärte Netanyahu am Sonntag bei einer Konferenz seiner Likud-Partei. Bereits am 4. September werden Wahlen stattfinden.

(Update 8.5.: Netanyahu formt überraschend Einheitsregierung mit Kadima-Partei. Doch keine Neuwahlen)

Die "Kraft" von der Netanyahu spricht hat ihm über die letzten drei Jahre an der Regierungsspitze einiges an Unterstützung eingebracht. Eine Umfrage der israelischen Zeitung Haaretz vom letzten Donnerstag bekräftigt das: 48 Prozent aller Befragten sehen in Netanyahu den geeignetsten Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten. Weit entfernt an zweiter Stelle hinkt Shelly Yachimovich von der Avoda, der Arbeitspartei, mit nur 15 Prozent Zustimmung.

Aus Sicht vieler Israelis hat Netanyahu soweit alles richtig gemacht: er ist in keinen neuen Krieg gezogen und hat die Wirtschaft liberalisiert und ihre Zahlen wachsen lassen. Außerdem hat er den Palästinensern nichts geschenkt. Netanyahus "Kraft" ist auch im Kontext großer Unsicherheit zu sehen. Die Umwälzungen in den arabischen Nachbarländern, dabei vor allem die Lage in Syrien und Ägypten, sowie ein mögliches nicht-ziviles Atomprogramm im Iran, dämpfen den Willen in der Bevölkerung mit einem politischen Wandel eventuelle Risiken einzugehen.

Für die Zukunft?

Doch genau diesen Wandel fordern viele, weil sie genau jene "Zukunft Israels" von der Netanyahu spricht in Gefahr sehen. Wirtschaftlich wirft man dem ehemaligen Finanzminister Netanyahu spätestens seit den Sozialprotesten vom letzten Sommer akuten Sozialabbau vor. Öffentliche Ausgaben wurden immer wieder gekürzt, Dienstleistungen wie Altenbetreuung und Sozialarbeit privatisiert. Während die Wirtschaft an der Oberfläche wächst, leben fast ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die meisten Forderungen der Demonstrationen vom letzten Sommer blieben ungehört. Im Jänner meinten noch 82 Prozent aller befragten Israelis in einer Umfrage, dass die sozioökonomische Position einer Partei entscheidend für ihre Stimmabgabe sei. 

Doch wenn es um Emotionen geht, ist Wirtschaft meistens zweitrangig. So ist es der politische Kurs von Netanyahus Likud-Partei und deren ungebrochene Unterstützung für den Siedlungsbau im Westjordanland, der bei manchen Kritikern Angst um Israels Zukunft auslöst. Eine Zweistaatenlösung des israelisch-palästinensischen Konflikts werde damit immer schwieriger, womit auch die einzige Chance Israels auf einen andauernden Staat mit jüdischer Mehrheit in die Ferne rückt. Denn Israel wächst immer tiefer ins palästinensische Territorium hinein, sodass eine Teilung bald nicht mehr möglich ist.

Erst Ende April hat Netanyahus Regierung mit der Legalisierung von drei nicht-genehmigten Siedlungen Kritik geerntet. Auch wenn frühere Regierungen unter Führerschaft anderer Parteien ebenso den Siedlungsbau vorangetrieben haben, wird der Einfluss konservativer national-religiöser Siedler auf die Leitbilder der Politik immer größer. 

"Viele Israelis denken, dass die Siedlungen gut für Israels Sicherheit sind. Doch in Wahrheit gefährden sie die israelische Demokratie und die Heimat für das jüdische Volk, die nur existieren kann solange es eine jüdische Mehrheit gibt. Doch wenn Israel im Westjordanland weiterbaut, ist diese Mehrheit bald nicht mehr gegeben", sagt die ehemalige israelische Chefanklägerin und Juristin Talia Sasson, die im Jahr 2005 den einflussreichen Sasson-Bericht zur Regierungsunterstützung für illegale Siedlungen verfasst hat. Den Unterstützern der Siedlungspolitik fehle es an einer langfristigen Perspektive, sagt sie. Anstatt für Israels Zukunft, würden sie dagegen arbeiten.

Doch darüber, was gut für Israels Zukunft ist, herrscht freilich keine Einigkeit in der israelischen Bevölkerung. Immerhin 54 Prozent aller befragten Israelis bezweifeln laut einer Umfrage vom Jänner, dass die "fortschreitende Kontrolle über die Palästinensergebiete" zu einem zukünftigen Verlust der jüdischen Mehrheit in Israel führen werde.

Welchen Kurs Israel in den nächsten Jahren einschlägt, werden Israelis am 4. September entscheiden. Vermutlich wird wieder eine gute Mehrheit für Netanyahu‘s Likud-Partei stimmen, um so "die Zukunft Israels sicherzustellen".