Graz - Staatsanwalt Johannes Winklhofer beginnt den Montagmorgen am Straflandesgericht Graz mit einem Exkurs in die Rechtsgeschichte Österreichs. Es geht um das Verbotsgesetz, das heute, am 8. Mai, vor 67 Jahren von der provisorischen Staatsregierung erlassen wurde, als das Land "auch humanitär bankrott" war, wie Winkelhofer erklärt, und "es gehört zum rechtlichen Grundgerüst unseres Staates". Denn "die nationalsozialistische Ideologie zerstört unseren Staat und gefährdet seine Grundwerte", führt Winklhofer aus.

Die zehn Männer auf der Anklagebank, unter ihnen der 45-jährige Fürstenfelder und bekannte Rechtsextremist Franz Radl, sind wenig beeindruckt. Sie müssen sich wegen NS-Wiederbetätigung verantworten. Der Montag ist der erste Tag eines Prozesses, der bis in Juni dauern dürfte.

Es ist keinen Monat her, da saßen acht der zehn Männer, alle deutlich jünger als Radl, zwischen 20 und 32, stets in Anzügen, die Haare fast alle streng gescheitelt und gewachst, bereits auf dieser Anklagebank. Sechs von ihnen wurden vom selben Richter, Raimund Frei, der ihnen heute gegenübersitzt, wegen schwerer Körperverletzung zu Haftstrafen von 18 Monaten bis drei Jahren - noch nicht rechtskräftig - verurteilt. Neu sind in diesem Prozess die Geschworenen.

Nazi-Parolen bei WM-Spiel

Bei jenen zwei Anlässen 2010, in einem Studentenlokal und beim Public Viewing eines WM-Spiels im Grazer Pfauengarten, wo die jungen Männer auf Gäste eingedroschen haben sollen, sollen sie auch Nazi-Parolen gerufen und die rechte Hand zum Hitlergruß erhoben haben.

Radl ist gewissermaßen in der Rolle des Mentors hier. Deswegen ist er für die Staatsanwaltschaft auch der Hauptangeklagte. Radls einschlägige Vergangenheit geht mehr als zwanzig Jahre zurück.

Schon damals machte er Werbung für den Holocaust-Leugner Gerd Honsik und dessen Buch Freispruch für Hitler. Danach soll Radl gemeinsam mit dem vor der österreichischen Justiz nach Spanien geflohenen Honsik eine Homepage und einen Verlag für NS-Propaganda betrieben haben. Drei der nun Mitangeklagten sollen auch dabei geholfen haben, Material zu verteilen und "Freiheit für Honsik"-Aufkleber anzubringen, nachdem Honsik 2009 und 2010 zu Haftstrafen verurteilt worden war. (Der 70-jährige Honsik wurde im Herbst auf Bewährung freigelassen.)

Auch für Schulen sei das Propagandamaterial, in dem unter anderem Konzentrationslager als Orte dargestellt werden, an denen Juden von der SS nur "beschützt" wurden, gedacht gewesen.

Die zehn Männer bekennen sich alle nicht schuldig. Radl sprach in einem kurzen Statement von "Anwürfen gemeinster Art", in denen "Vermutungen mit meiner unbestrittenen Gesinnung" vermengt würden. Der Drittangeklagte Richard P., der als "Leitwolf" der Jüngeren gilt, verlas eine Erklärung, in der er das Verbotsgesetz kritisierte. Richter Frei verbat sich daraufhin juristische Ausführungen. Diese Woche sollen noch alle Angeklagten einvernommen werden, Radl dürfte am Donnerstag an der Reihe sein.(Colette M. Schmidt, DER STANDARD, 8.5.2012)