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2007 zeigte Marat Gelman diese Collage. Nun schließt er die Galerie. Putins dritte Amtszeit scheint eine Bedrohung für zeitgenössische russische Kunst.

Foto: Reuters

In der zweiten Amtszeit von Präsident Wladimir Putin (2004- 2008) begann der Höhenflug des Moskauer Kunstmarktes. Der Hype steckte Oligarchen und deren Gattinnen an, Russlands Reich und Schön tummelte sich plötzlich auf der Biennale von Venedig, und private Kunstinstitutionen verließen angestammte Substandardkeller. Seit 2007 residieren die wichtigsten Galerien Moskaus in den roten Backsteinbauten der Winzavod: Schiffsbau-Oligarch Roman Trozenko ließ die stillgelegte Weinproduktionsstätte in einen schicken Kunstcluster verwandeln.

Doch nun, am Beginn von Putins dritter Amtsperiode, kriselt es gehörig am Kunstmarkt und somit auch in der Winzavod: Zwei der ältesten Galerien des Landes, Ajdan sowie Marat & Julija Gelman, beenden ihre kommerziellen Aktivitäten. XL, eine weitere prominente Winzavod-Galerie, macht weiter, jedoch mit unklaren Perspektiven: "Die Gelder reichen bis Ende des Jahres. Was danach ist, weiß ich nicht", ließ XL-Direktorin Jelena Selina kürzlich wissen.

"Der Markt ist verschwunden", klagte Galerist Marat Gelman, 80 Prozent seiner Kunstsammler hätten mittlerweile das Land verlassen. Die neuen Reichen seien vor allem Bürokraten, die nicht sammeln, weil sie ihre Einkünfte nicht zur Schau stellen wollten.

Parallel zu Putins Rückkehr an die Macht gerät zeitgenössische Kunst einmal mehr politisch unter Druck. Nach dem harten Vorgehen der Behörden gegen die Aktionistinnen von Pussy Riot - drei junge Frauen sitzen seit mehr als zwei Monaten in U-Haft - veröffentlichten russisch-orthodoxe Aktivisten nun eine Liste der Feinde des Christentums. Neben Künstlern und Kuratoren wird auch Gelman "Beleidigung religiöser Gefühle" vorgeworfen. Ende 2011 hatte das vom Moskauer Galeristen geleitete Museum für zeitgenössische Kunst in der Uralstadt Perm die Ausstellung Heimat gezeigt: Russische Künstler hatten sich ironisch mit dem Heimatbegriff beschäftigt. Die Moskauerin Tatjana Antoschina etwa hatte aus Wodkaflaschen und medizinischen Einlaufgeräten Kirchtürme nachgebildet.

Im Mai sollte diese Schau in Nowosibirsk präsentiert werden. Doch vor wenigen Tagen sagte der Gouverneur aus politischen Gründen ab. Die sibirische Millionenstadt ist derzeit kein gutes Pflaster für Kunst: Anfang April hatte der lokale russisch-orthodoxe Metropolit gegen eine Ausstellung von Picasso-Lithografien protestiert.

Dependancen in London

Zurück nach Moskau: Auch nach ihren Schließungen wollen Ajdan und Gelman am Winzavod-Areal bleiben. Galeristin Ajdan Salachova ist auch Künstlerin und möchte in den bisherigen Räumlichkeiten ein Atelier führen. Gelman plant in seiner Exgalerie ein Produktionszentrum für Kunst aus der Provinz. Einfach wird dies in der aktuellen politischen Atmosphäre, so zeigt auch das Beispiel Nowosibirsk, nicht.

Andere Winzavod-Galerien suchen Kooperationen mit Stiftungen und bemühen sich um eine Verbreiterung ihrer Käuferbasis auch im Ausland. Ridschina eröffnete bereits vor zwei Jahren eine Dependance in London, wo zuletzt ein massiver Zuzug reicher Russen herrschte. Die Zeiten seien ruhig, konstatiert Ridschina-Chef Wladimir Owtscharenko. Das sei aber auch eine Gelegenheit, die besten Kunstwerke zu erwerben. Denn der nächste Boom, meint er, komme gewiss: "Nach unseren Prognosen in zwei bis drei Jahren." (Herwig Höller aus Moskau, DER STANDARD, 8.5.2012)