Öffentliche Passage mit Efeu, Veitschi und Schanigarten: Erstmals seit Bestehen des Gebäudes soll die Passage zwischen Wollzeile und Lugeck für Fußgänger geöffnet werden. Das Gastronomielokal ist bereits vermietet.

Visualisierung: Silberpfeil

Mit Glasdach: vermietbarer Veranstaltungssaal im Erdgeschoß.

Visualisierung: Silberpfeil

Wien - Schinkenpizza und Heringbrötchen verkaufen sich perfekt. Dass über den florierenden Geschäften von Bizi Pizza und Nordsee jahrelang einer der größten innerstädtischen Leerstände vor sich hinschlummerte, war der Immobilie in der Wollzeile 1-3 nicht anzusehen. Was einst Bank und später Amtsgebäude war, wird derzeit umgebaut und generalsaniert. Im Herbst soll das alte Stadtpalais, das sich in Besitz der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) befindet, als moderner Bürokomplex eröffnet werden.

Mit rund 8600 Quadratmeter Nutzfläche ist es das bisher einzige Projekt im Œuvre der BIG, das ohne fixen Mieter und ohne Interessenten entwickelt wurde. "Das Haus stand einige Zeit leer", sagt Ernst Eichinger, Pressesprecher der BIG. "Zunächst war eine andere Nutzung geplant, außerdem wollten wir nicht kleinteilig vermieten, sondern haben für das Haus einen Großmieter gesucht. Das ist jetzt anders."

Auch in Zukunft möchte die BIG nach eigener Auskunft eine starke Segmentierung fahren und zwischen Bildungs- und Kulturbauten einerseits und Büro- und Spezialimmobilien andererseits deutlich trennen. Eichinger: "Auf dem Büromarkt gibt es einen größeren Wettbewerb als bei Bildungsimmobilien. Wir müssen entsprechend schnell und dynamisch sein. Da kann man nicht immer mit einer hundertprozentigen Vorverwertung arbeiten."

Die große bauliche Herausforderung am neuen Business-Modell der BIG: Das gesamte Gebäude, das sich in einer Schutzzone befindet und deren Bausubstanz sich teilweise als mangelhaft erwies, musste flexibel teilbar mit redundanter Haustechnik ausgeführt werden. Die Baukosten belaufen sich nach Auskunft der BIG auf 17 Millionen Euro.

Großraum im Palais

"So ein Projekt bedingt, dass Stiegenhäuser, Erschließungsgänge und Steigleitungen so geplant werden müssen, dass jederzeit Unterteilungen der Mieteinheiten vorgenommen werden können", erklärt Christian Koblinger, Projektleiter im zuständigen Büro Silberpfeil Architekten. "Bei einem historischen Haus, das rund 150 Jahre auf dem Buckel hat, ist das keine einfache Aufgabe."

Um diesem Bauherrenwunsch gerecht zu werden, wurde in Zusammenarbeit mit dem Statikbüro Werkraum Wien ein neuartiges Konzept entwickelt: Statt punktuelle Bestandskorrekturen vorzunehmen, wurde dem Altbau ein dreidimensionaler konstruktiver Raster aus Stahlbeton-Verbundscheiben implantiert. Statt Dippelbaumdecken und alten Ziegeln gibt es hie und da nun Wände und Decken aus Beton.

Vermietungstechnisch ergibt sich dadurch der Vorteil, dass die Büros nicht mehr aus klassischen gründerzeitlichen Zimmern und Kabinetts bestehen, sondern aus großen zusammenhängenden Flächen, die im Bedarf sogar als Großraumbüro genutzt werden können. "Im Altbau gibt es ein zentrales Thema, und das ist Flexibilität", so Eichinger. "Wir haben daher weit vorgedacht und für alle Eventualitäten, was die Vermietung betrifft, vorgesorgt. Das ist eine Büroform, die es in der Wiener Innenstadt bisher kaum gibt."

Handlungsfeld Altbau

Architekt Koblinger sieht die Vorzüge der Sanierung etwas globaler: "So eine Maßnahme in historischen Bauten ist eine Innovation. Die Chance, große Raumverbände zu schaffen, könnte Altbauten für den modernen Büromarkt langfristig wieder sehr interessant machen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass Städte wie Salzburg, Graz und Wien zu 80 Prozent aus Gebäuden bestehen, die vor 1950 errichtet wurden, tut sich hier ein enormes Handlungsfeld auf."

Vom neuen Immobilienprojekt - vermarktet wird das Projekt unter dem Titel "Nächst Stephan" - profitiert auch die Stadt. Im ehemaligen Kassensaal der Bank wird es einen anmietbaren Veranstaltungssaal geben, erstmals wird auch die Passage zwischen Wollzeile und Lugeck geöffnet werden. Klappbare Fensterläden aus verspiegeltem Sonnenschutzglas sollen Lichtreflexionen in den dunklen und schmalen Innenhof leiten. Entlang des Weges werden sich ein Gastronomiebetrieb mitsamt Schanigarten, eine Kunstgalerie sowie kleinere Retail-Läden ansiedeln. Rankgerüste für Efeu und Veitschi sollen die Passage langfristig aufwerten.

Und: "Es wird in den Büros zwar Anschlüsse für optionale Klimageräte geben, aber wir gehen aufgrund der Berechnungen davon aus, dass eine zusätzliche Kühlung nicht notwendig sein wird", so Koblinger. "Das Haus hat Niedrigenergiestandard und wird mit einer kontrollierten Büroraumlüftung das Auslangen finden."

16 Euro pro m² und mehr

Die Räumlichkeiten im Erdgeschoß sind bereits vollständig vermietet. Bei den 6000 Quadratmeter Bürofläche gibt es nach Auskunft der BIG zwar schon konkrete Gespräche mit einigen Interessenten, doch die eigentliche Verwertung wird erst in den kommenden Wochen beginnen. Die Mieten starten bei 15 bis 16 Euro pro Quadratmeter zuzüglich Betriebskosten. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 5./6.5.2012)