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Visionen in Blau-Weiß: Nea-Dimokratia-Chef Antonis Samaras will seine Anhänger an große eigene Mehrheiten wie in alten Zeiten glauben lassen.

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Ein Bettler vor einem geschlossenen Geschäft in Athen. Die Krise überschattet die Wahl.

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Der graue Scheitel ist zuerst zu sehen, er schiebt sich durch die Menge, die jetzt von ihren Stühlen aufgestanden ist. "Hellas, Samaras", skandieren die Parteianhänger und klatschen im Rhythmus. Eine zierliche Dame im vorgerückten Alter reißt die Arme hoch. "Antonis!", ruft sie, und Antonis Samaras lächelt. Es könnte eine ganz normale Wahlkampfkundgebung sein.

Es gibt auch noch welche, die das glauben. Die denken, die Nea Dimokratia kehre jetzt zurück an ihren angestammten Platz an der Macht, und diese ganze elende Finanzkrise, in die Griechenlands Sozialisten das Land und Europa leichtsinnig geredet haben, werde irgendwie weggehen. " Alles, was er gesagt hat, ist wahr geworden", stellt ein junger Mann ungerührt fest, als sei Samaras, der Parteichef der Konservativen, ein Heilsbringer.

"Um als Griechen wieder stolz zu sein"

Mit 33 Prozent der Stimmen hatte die Nea Dimokratia vor zweieinhalb Jahren die Wahlen verloren. Jetzt wird sie in den Umfragen als stärkste Kraft geführt - mit allenfalls 25 Prozent. Das zeigt, wie sehr Staatsbankrott und Sparprogramm das politische System im Land umgestürzt haben. Griechenland droht nach den vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag auch noch die Unregierbarkeit.

"Wir bitten euch um eure Stimme, nicht nur für unseren Plan, sondern um als Griechen wieder stolz zu sein!", ruft Samaras nach einer Stunde Rede über sein Wirtschaftsprogramm im Athener Zappeion, einem Neoklassik-Bau im Zentrum der Hauptstadt. Und der 60-Jährige, der fest entschlossen ist, Griechenlands nächster Ministerpräsident zu werden, schiebt eine Warnung nach: "Unseren Kreditgebern müssen wir sagen, dass es kein Geld mehr gibt für neue Steuern und neue Kürzungen."

Wut und Frustration bestimmen Wahl

Das ist Samaras' Überzeugung seit dem ersten Milliardenkredit vom Mai 2010: Die harten Auflagen der Kreditgeber haben das Land kaputtgespart. Den Griechen sind keine neuen Belastungen mehr zuzumuten. In einer Mischung aus Wut und Frustration gehen sie deshalb an diesem Sonntag zur Wahl. Abgestimmt wird über das drastische Sparprogramm, das die Sozialisten der Pasok und später die Konservativen unterschreiben mussten. In letzter Konsequenz stehen aber auch der Fortgang der Kredithilfen an Griechenland und der Verbleib in der Eurozone auf dem Spiel. Rechts- wie Linksgerichtete sind bereit, das zu riskieren. Den Volkszorn anstachelnd heißt es auf Wahlplakaten des populären Linksbündnisses Syriza: "Ihr habt ohne uns entschieden, wir gehen ohne euch weiter." Gemeint ist natürlich die derzeit amtierende große Koalition unter Führung des Technokraten Lukas Papademos.

Gewalt im Parlament

Mehr als 30 Parteien treten an, acht bis zehn könnten es dieses Mal ins Parlament schaffen. Seit den 1950er-Jahren hat es in Griechenland nicht mehr eine solche Zersplitterung der politischen Kräfte gegeben. "Ich habe wirklich Angst vor dem, was in diesem Parlament alles geschehen wird. Es wird sehr gewalttätig", sagt Eleni Myrivili, eine Anthropologin von der Universität auf Lesbos mit Blick auf die Faschisten und den linken Block. Die 44-Jährige tritt für die Grünen im ersten Wahlbezirk von Athen an. Dieses Mal sollte der Einzug klappen, so sagen die Umfragen voraus.

Höhere Steuern für Kirche

Wie im Juni schon weitere elf Milliarden Euro an Einsparungen gefunden werden sollen, die IWF, EU-Kommission und EZB von den Griechen haben wollen? "Ich weiß es nicht", sagt Myrivili offen. Dann fällt der Grünen-Politikerin doch etwas ein: höhere Steuern für Kirche und Großgrundbesitzer, ein Sieg von François Hollande in Frankreich. "Das ändert vielleicht das Klima in Europa und schafft bessere Bedingungen für uns."

Die Strafe an der Wahlurne wird Nea Dimokratia und Pasok treffen. Sie können von Glück reden, wenn sie eine Koalition zustande bringen. An Alleinregierung ist nicht zu denken. Samaras behauptet dennoch das Gegenteil und hofft auf den Bonus von 50 Mandaten, den das Wahlgesetz der stärksten Partei zuspricht. Evangelos Venizelos bringt das zur Weißglut. "Keine Partei kann es allein schaffen", sagt der Ex-Finanzminister und neue Chef der Sozialisten über den Sparkurs. (Markus Bernath aus Athen, DER STANDARD, 4.5.2012)