Nur wer über das Doppel-X-Chromosom verfügt, darf beim Frauenlauf starten. Ausnahmen gibt es keine - auch nicht für die Begleitung von behinderten Läuferinnen.

Foto: Diener / Österreichischer Frauenlauf GmbH

Wien - Wenn am 3. Juni rund 25.000 Frauen im Wiener Prater losstarten, wird Liliana Prerowsky vermutlich nicht dabei sein können. Aufgrund ihrer starken Sehbehinderung - sie ist so gut wie blind - ist Prerowsky auf eine Begleitperson angewiesen. Seit Jahren läuft sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, selbst Marathons haben sie so schon bewältigt.

Als sie bei der Geschäftsleitung des Wiener Frauenlaufs ihren Mann als Begleitperson für die Zehn-Kilometer-Strecke angeben wollte, staunte sie nicht schlecht: Er dürfe sie auf keinen Fall begleiten, schließlich sei er als Mann laut Statuten nicht beim Lauf zugelassen. Dass er gar nicht als Läufer, sondern nur als Hilfsperson registriert wäre, mache keinen Unterschied.

Reine Frauensache

Man schlug ihr vor, doch einfach mit einer Freundin zu laufen. "Aber ich habe keine, die aus dem Stand zehn Kilometer laufen könnte", sagt Prerowsky. Auf die Frage, ob eine Freundin sie deswegen mit dem Fahrrad begleiten dürfe, hieß es wiederum Nein. "Bei uns dürfen nun einmal Damen, Frauen und Mädchen laufen", argumentiert eine Sprecherin vom Frauenlauf-Team die Entscheidung. Eine Begleitung mit Fahrrad sei einfach zu gefährlich, und über den mitlaufenden Ehemann würden sich viele Teilnehmerinnen beschweren, so die Begründung.

Hätte wirklich jemand ein Problem mit einer männlichen Begleitperson für eine blinde Teilnehmerin? "Ja, wir bekommen in so einem Fall viele negative Rückmeldungen", meint die Sprecherin weiter. An einen konkreten Fall könne sie sich jedoch nicht erinnern. Vor vielen Jahren sei einmal ein Mann in Verkleidung mitgelaufen. So eine Entwicklung wolle man verhindern.

Der betroffenen Frau wolle man entgegenkommen. "Wir bieten ihr an, ihr bei der Suche nach einer Laufpartnerin mit ähnlicher Kondition behilflich zu sein." Auch zwei andere blinde Frauen würden - in weiblicher Begleitung - am Lauf teilnehmen. Eine Diskriminierung erkenne sie nicht, da man Frau Prerowsky nicht aufgrund ihrer Blindheit eine Teilnahme verweigern würde.

Angst vor einem Präzedenzfall

Prerowsky, selbst Beauftragte für Barrierefreiheit im Verkehrsministerium, sagt, sie empfinde es genau als das: als Diskriminierung. "Aufgrund meiner Blindheit wird mir vorgeschrieben, in welcher Art und Weise ich an dem Lauf teilzunehmen habe."

Ihr Anliegen sei nicht, dass Männer in Zukunft mitlaufen dürfen, sondern dass behinderten Frauen ermöglicht wird, an dem Lauf so teilzunehmen, wie sie es eben brauchen. "Ich laufe schließlich selber, es trägt mich keiner auf Händen durchs Ziel." Beim Frauenlauf-Team ist man besorgt, dass sich eine Entscheidung zum Präzedenzfall ausweiten könnte. Der Rahmen als reiner Frauenlauf solle erhalten bleiben.

In einer ersten Stellungnahme geht der Sehbehindertenverband von einer möglichen Diskriminierung aufgrund von Behinderung aus. Sollte sich Prerowsky trotz des Angebots vom Veranstalter diskriminiert fühlen, bleibe ihr nur der Weg der Schlichtung. (Julia Herrnböck, DER STANDARD, 4.5.2012)