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Nicht in den letzten Sekunden, sondern in den ersten Tagen seiner Präsidentschaft liegen die Probleme von Nicolas Sarkozy.

Foto: Reuters/Fuentes

Sollte Nicolas Sarkozy die Präsidentschaftswahl 2012 verlieren, hat er den Grund in seiner Wahl 2007 zu suchen: Vor allem sein Amtsbeginn war, wie rückblickend klar wird, ein Desaster - oder anders gesagt: eine Zeitbombe, die erst fünf Jahre später zu explodieren droht. Sarkozy war im Wahlkampf 2007 gegen Ségolène Royal mit einem starken Programm angetreten - er versprach nichts weniger als die "rupture", den Bruch mit 26 lähmenden Mitterrand- und Chirac-Jahren. Auch der Wahlslogan klang mutig und optimistisch: "Mehr arbeiten, um mehr zu verdienen." Binnen fünf Jahren werde Frankreich zur Vollbeschäftigung (fünf Prozent Arbeitslosigkeit oder weniger) zurückkehren, verkündete "Speedy Sarko", wie die Franzosen ihn damals noch bewundernd nannten.

Doch jetzt wird abgerechnet. Die Arbeitslosigkeit liegt erstmals in diesem Jahrtausend bei über zehn Prozent; die Kaufkraft stagniert, acht der 65 Millionen Franzosen leben statistisch gesehen in Armut. Das Exportdefizit liegt auf einem Rekordhoch, die Staatsschuld ist auf 1700 Milliarden Euro - mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandproduktes - geschnellt.

"Präsident der Reichen"

Sarkozy verteidigt sich: Daran sei die Krise schuld. Das stimmt aber nur zum Teil. Der französische Rechnungshof hat eruiert, dass das ausufernde Budgetdefizit der Regierung nur zu 38 Prozent auf die Mehrausgaben für die Eurorettungspläne und andere Krisenmaßnahmen zurückzuführen ist. Drei Fünftel gehen also auf Kosten der Sarkozy-Politik. "Ihre Bilanz ist Ihr Bleifuß", fasst der sozialistische Ex-Premierminister Laurent Fabius die Kostenexplosion unter dem bürgerlichen Präsidenten zusammen.

2007 hatte die Krise zudem noch nicht auf Europa übergegriffen. Sarkozy hätte damals beginnen müssen, die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen, doch er warf lieber mit Geld um sich. Elf Milliarden an Steuer- und anderen Geschenken verteilte er. Darunter war eine Steuerobergrenze von 50 Prozent, was auch ein politischer Fehler war: Die Milliardärin Liliane Bettencourt erhielt vom Staat beispielsweise 30 Millionen Euro an Steuern zurückbezahlt - und Sarkozy den Ruf, "der Präsident der Reichen" zu sein. Außerdem billigte sich der frischgewählte Staatschef selbst eine Gehaltserhöhung von 170 Prozent zu. Auch gab er sich lieber dem Jetset hin, als sich - wie zuvor angekündigt - in einem Kloster auf seine schwere Aufgabe vorzubereiten.

Sarkozy purzelte in wenigen Wochen in den Umfragekeller. Und dort sitzt er noch heute - obwohl er seither bessere Arbeit als zu Beginn geleistet hat. Gegen harte Widerstände erhöhte er das Pensionsalter von 60 auf 62 Jahre - immer noch ein Minimum in der EU. Die 35-Stunden-Woche, ein französisches Unikum, untergrub er mit einer großzügigen Überstundenregelung. Auch wenn in Frankreich politisch umstritten: Diese Maßnahmen waren aus europäischer Perspektive unerlässlich. Auch die Universitäten befreite Sarkozy vom Zentralstaat, indem er ihnen mehr Autonomie einräumte. Gegen die häufigen Metro- und Eisenbahnstreiks setzte er einen - heute schlecht befolgten - Mindestdienst durch.

Merkozy als starkes Duo

Ein klarer Misserfolg waren die CO2-Steuerpläne, das räumt Sarkozy selbst ein. Und auch die Justizreform mit der Abschaffung der Untersuchungsrichter blieb auf halbem Wege stehen.

Dafür wertete Sarkozy Frankreichs internationale Position auf. In der Eurokrise bewies er eine sichere Hand, die im Duo mit Angela Merkel das Schlimmste verhinderte. Zuvor hatte er sich im Georgien-Krieg Moskau entgegengestellt, und auch "seine" G-8- und G-20-Gipfel in Deauville und Cannes waren eher Erfolge.

Und ohne Sarkozys Bestimmtheit wäre der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi vielleicht noch heute in Amt und Würden. Auch die Mordserie von Toulouse managte Sarkozy im März korrekt.

Aber dies alles half und hilft nichts mehr: Sarkozy bleibt bis in die eigenen Reihen unpopulär. Sie werfen ihm vor, mehr mit Worten als mit Taten brilliert zu haben. Viele frühere Wähler wählen Sarkozy. Aber ihre Stimme geben sie ihm, wenn überhaupt, nicht mehr aus Sympathie. Die hat Sarkozy längst verspielt. (Stefan Brändle, DER STANDARD Printausgabe, 4.5.2012)