Porsche-Obergestalter Michael Mauer.

Foto: Porsche Presseabteilung

Der 911er in der siebenten Generation.

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STANDARD: Porsche-Fans ist der 911er heilig, jede Veränderung gilt als Sakrileg. Wie viel Vertrautes müssen Sie bewahren? Welche Neuerungen sind möglich?

Michael Mauer: Mit jedem neuen Entwurf versuchen wir herauszufinden, wie weit wir den Stein in die Zukunft werfen können. Man will ihn weit werfen, aber man darf ihn auch nicht zu weit werfen, denn der Kunde soll ihn noch finden können.

STANDARD: Aber Sie müssen den Stein werfen.

Mauer: Natürlich. Wer aufhört, besser zu werden, hört auf, gut zu sein.

STANDARD: Haben Sie überhaupt Spielräume?

Mauer: Unsere Spielräume sind klar definiert: Der 911 ist und bleibt ein kompaktes zwei-mal-zwei-sitziges Sportcoupé mit Heckmotor. Trotzdem muss die jeweils aktuelle Version eindeutig als neue Generation zu erkennen sein. Da wird die Arbeit manchmal zum Spagat.

STANDARD: Seit 49 Jahren derselbe Typ - ist das nicht konservativ?

Mauer: Nein, das ist nachhaltiges Design! Der 911 ist offenbar das einzige Auto, das nicht altert. Nicht ohne Grund sind mehr als zwei Drittel aller jemals gebauten Porsches noch auf den Straßen unterwegs. Das zeigt, wie wert- und formbeständig unsere Wagen sind.

STANDARD: Vor allem das Heck des 911 haben Sie neu gestaltet.

Mauer: Während wir bei der Front an der typischen 911er-Produktidentität festhalten, haben wir uns am Heck getraut, einen deutlicheren Schritt zu gehen. Die scharf geschnittene Kante und die schmalen LED-Leuchten setzen neue Akzente.

STANDARD: Was sind weitere gravierende Neuerungen?

Mauer: Es beginnt mit den Proportionen sowohl der Karosserieform als auch des Innenbereichs. Der Radstand ist länger, die Vorderachse breiter, die Dachlinie gestreckt. Die Karosserie wurde flacher. Tiefer. Diese Kombination führt dazu, dass der Wagen zwar immer noch extrem kompakt wirkt, doch in der Gesamtlänge leicht gewachsen ist. Er hat sich dramatisch in Richtung Sportlichkeit verändert. Das zeigt sich auch bei Details: Die Scheinwerfer sind eher größer geworden. Im inneren Bereich sind sie viel schärfer akzentuiert, viel moderner ...

STANDARD: ... viel aggressiver?

Mauer: Nein. Das Wort verwende ich nicht gern. Ein Porsche ist nicht aggressiv. Ein Porsche ist sportlich, dynamisch, elegant, ausdrucksstark. Und kompromisslos.

STANDARD: Warum nicht aggressiv?

Mauer: Der Erfolg von Porsche gründet sich auf der Kombination von Alltagstauglichkeit und Sportlichkeit. Diese Kombination macht den 911 und unsere gesamte Produktpalette einzigartig. Sie können sich mit einem Porsche in der Stadt bewegen, ebenso können Sie aber auf die Nürburgring-Nordschleife gehen. Natürlich ist der neue 911 nun noch sportlicher, aber wenn Sie ihn mit Wagen derselben Leistungsklasse vergleichen, dann merken Sie schnell: Es ist ein bescheidener, zurückhaltender Auftritt.

STANDARD: Ist der 911er ein Spielzeug für das Kind im Mann?

Mauer: Klar, um von A nach B zu kommen, brauche ich eigentlich keinen Porsche 911. Doch rationale Entscheidungen triumphieren bei uns Menschen nicht immer. Glücklicherweise. Porsche steht für eine stilvolle Art und Weise der Fortbewegung, die Spaß macht. Buben und Sportwagen - das ist eine immer noch gültige Kombination.

STANDARD: Warum gibt es deutlich weniger Porsche-Fahrerinnen?

Mauer: Am Design kann's ja nicht liegen. Auf den Präsentationen zeigen sich die Frauen sehr interessiert.

STANDARD: Laut einer Studie der University of Texas in San Antonio verhalten sich Männer, die Porsche fahren, wie Pfauen: Sie wollen beeindrucken.

Mauer: Dem kann ich nicht folgen. Porsche steht eher für Understatement.

STANDARD: "Ein Auto, zu schnell für unsere Straßen", hat Otl Aicher kritisiert, "er fährt auch, wenn er steht." Die Qualität der Designlösungen hingegen lobte der berühmte Grafiker. Porsche scheint das Lieblingsauto von Gestaltern zu sein.

Mauer: Das freut mich natürlich. Designer erkennen sofort, dass er sorgsam gestaltet ist. Mein Grundsatz ist dennoch: Wir gestalten keine Autos speziell für Designer, sondern für alle Kunden.

STANDARD: Haben Sie einmal damit geliebäugelt, in einem anderen Designbereich zu arbeiten?

Mauer: Ein entschiedenes Nein! Ich habe während meines Transportation-Design-Studiums an der Hochschule in Pforzheim vier Semester Produktdesign belegen müssen. Das war die härteste Zeit meines Lebens. Ich habe unter anderem Kaffeemaschinen entworfen.

STANDARD: Was ist daran so schlimm?

Mauer: Ich habe immer gesagt: Ich entwerfe alles, solange es vier Räder hat. Automobildesigner ist man einfach von Anfang an. Man muss nur eine Portion Benzin im Blut haben.

STANDARD: Welche Designer bewundern Sie? Haben Sie Vorbilder?

Mauer: Da gibt es einige Menschen, mit denen ich intensiv zusammengearbeitet habe und die meine Chefs waren. Bruno Sacco etwa, der einstige Chefdesigner von Mercedes. Auch sein Nachfolger Peter Pfeiffer. Beide haben mich geprägt. Aber ich gehe heute meinen eignen Weg.

STANDARD: Welche Bedeutung hat für Sie der jüngst verstorbene Ferdinand Alexander Porsche, der Designer des ersten 911ers?

Mauer: F. A. Porsche hat als erster Designchef von Porsche die Sportwagenikone 911 gezeichnet. Eine Form, die bis heute in der nunmehr siebenten 911er-Generation sehr erfolgreich weiterlebt und auch in zukünftigen Porscheprodukten weiterleben wird. Mich fasziniert auch, dass er bei der Gestaltung von Gebrauchsgütern extrem erfolgreich war und kontinuierlich neue Trends gesetzt hat. F. A. Porsche ist, denke ich, für wirklich jeden Designer, egal ob Produkt- oder Automobildesigner, ein Vorbild. (Fabian Wurm, Rondo, DER STANDARD, 4.5.2012)