Kampf dem "Länderschulgespenst": Ghostbuster Schilcher.

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Ein Gespenst geht um in Österreich - das Gespenst der Länderschulen. Schon seit geraumer Zeit melden sich immer wieder einzelne Landeshauptleute und verlangen die volle Schulkompetenz. Das ist eine gefährliche Drohung. Denn bereits jetzt machen die Bundesländer mit dem Geld aus Wien, was sie wollen. Sie überziehen die ihnen zugewiesenen Mittel um 100 Millionen Euro in einer einzigen Legislaturperiode, besetzen "ihre" Schulen munter im parteipolitischen Proporz und treffen nicht die geringsten Anstalten, bei der alten, sauteuren Verwaltung auch nur irgendwas einzusparen.

Noch ärger ist es nur noch dort, wo sie allein zuständig sind, bei den Kinderkrippen und Kindergärten. Niederösterreich bietet nur für vier bis fünf Prozent der Einjährigen Plätze an, Wien für 26 Prozent. Dazwischen liegen alle anderen mit ganz unterschiedlichen Quoten. Die einen halten ganztägig offen, die anderen nur halbtags. Dasselbe gilt für die Kindergärten. In einem Bundesland schließen Krippen und Kindergärten die ganzen Ferien über, in einem anderen gibt es eine Art von "Notdienst", und dann wieder hält ein Land seine frühpädagogischen Einrichtungen auch die Ferien hindurch offen.

Nahezu jedes Land kennt andere Gruppengrößen, andere Dienstrechte und bezahlt auch seine Frühpädagoginnen ganz unterschiedlich. Ein einziges Tohuwabohu. Das Ergebnis: Immer mehr junge Familien, die keine ganztägigen Einrichtungen zur Verfügung haben, verzichten auf Kinder. Seit den Sechzigerjahren haben wir die Geburtenzahlen nahezu halbiert: Damals gab es noch über 147.000 Neugeborene pro Jahr, heute sind es 78. 000.

Das ist aber noch längst nicht alles. Die Autonomie der Schulen, auf der ganzen Welt ein Erfolgsrezept, ist für viele österreichische Länder das blanke Unwort. Hier wie beim Blockieren aller Reformbemühungen sind sie die verlässlichsten Partner der Mehrheits- Gewerkschafter. "Nur nix Neues", lautet die gemeinsame Devise. Denn Eltern, Kinder und Schüler sind den meisten egal. Wichtig ist nur die Erhaltung von Macht und Einfluss. Und da Erhaltung und Veränderung nicht zusammengehen, ersticken viele Länder- und Gewerkschaftschefs schon den geringsten Ansatz zur Erneuerung im Keim.

Ausgestattet mit dieser Grundeinstellung, werden viele Länderfürsten am 3. Mai zum bildungspolitischen Finalsieg trommeln. Vermutlich ist es wieder LH Pröll, der seine Lieblingsidee in die LH-Konferenz einbringt: die "Verländerung" des gesamten Schulwesens. Denn dann könnte endlich das alles völlig "unter der Tuchent" passieren, wovon der Rechnungshof nach der heutigen Rechtslage noch den einen oder anderen Zipfl der Verschwendung zu fassen kriegt.

Und dazu immer wieder dieselben Schalmeientöne: "Nur die Länder haben die erforderliche Nähe zum Bürger", heißt es seit Jahrzehnten. Tatsächlich sind den Eltern, Schülern und Lehrern Bezirks- und Landesschulräte als "Obrigkeiten" mindestens genau so fern wie Wiener Behörden. Für wirklich nahe empfinden sie nur die einzelnen Schulen selbst, die freilich endlich selbstständig entscheiden sollten. Aber gerade diese Autonomie ist den herrschenden Machtföderalisten suspekt. Lieber geben sie noch ihre Landesspitäler an den Bund ab, als sich von ihrer parteipolitischen Anstellungs- und Ernennungspolitik in den Schulen zu trennen. Die da heißt: Wir Länder bestimmen, wer was wo wird, und der Bund zahlt.

Im Sonderausschuss für das Bildungsvolksbegehren hat es eine deutliche Mehrheit für eine ausschließliche Bundeskompetenz in allen Bildungsangelegenheiten gegeben. Das ist die einzig wirksame Waffe gegen Länderinteressen, die ganz offensichtlich die Rückkehr in die bildungspolitische Steinzeit proben. (Bernd Schilcher, DER STANDARD, 3.5.2012)