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Ein diskreter Taktiker soll gratis Italien sanieren: Enrico Bondi.

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Die wichtigen Entscheidungen des Lebens wollen in aller Ruhe überdacht sein. Aus diesem Grund hat Enrico Bondi voriges Wochenende in der Einsamkeit seines toskanischen Landguts Il Matto (wörtlich: der Verrückte) verbracht, wo er Oliven und Wein anbaut und Rosen züchtet. Am Montag hat er dann Regierungschef Mario Monti seine Zustimmung gegeben: Er werde versuchen, die Staatsfinanzen zu sanieren. Das ist wohl die schwierigste Aufgabe in seiner 50-jährigen Karriere.

Für den 77-jährigen Manager ist das eine Herausforderung. Zwar sind ihm bereits Sanierungen gelungen, die in Italien niemand für möglich gehalten hätte. Aus dem konkursreifen Parmalat-Milchkonzern mit einem Bilanzloch von 14 Mrd. Euro machte er innert weniger Jahre ein blühendes Molkereiunternehmen, das 2011 verkauft wurde. Als er mit der Sanierung 2004 begann, verschaffte er sich Überblick über das verschachtelte System, dann legte der penible Bilanzprüfer Unternehmenstöchter still und konzentrierte sich aufs Kerngeschäft. Den Banken sagte er den Kampf an: Sie trügen Mitschuld an der Pleite des Konzerns. 40 Mrd. Euro Schadenersatz forderte er, von Bank of America über Credit Suisse bis zur Deutschen Bank; zwei Mrd. Euro hat er bereits eingetrieben.

Bondi bewies, dass er sich niemandem verpflichtet fühlt. Das wird ihm bei seinem neuen Job zweifellos zugute kommen. Vor Parmalat hat er aus den Trümmern des Ferruzzi-Konglomerats Montedison ein schlagkräftiges Unternehmen gemacht. Bei Telecom Italia und Fonsai warf Bondi allerdings vorzeitig das Handtuch, weil seine Vorgaben nicht voll erfüllt wurden.

Der hagere, asketisch wirkende Wissenschafter ist diskret. Noch nie hat er ein offizielles Interview gegeben - und doch ist sein Name jedem bekannt, der sich in Italien mit Wirtschaft befasst. Als geschickter Taktiker und wegen seiner Integrationsfähigkeit nimmt er eine Ausnahmestellung unter den Managern ein. Als Kommissar für die Sanierung der Staatsfinanzen verzichtet er nun auf jegliches Gehalt - in Italien keineswegs üblich. Der studierte Chemiker und Vater zweier erwachsener Kinder stehe über den Dingen, sagen seine Mitarbeiter.

Obwohl Bondi schon längst in Ruhe seine Pension genießen könnte, steht er morgens um halb sechs auf, um seinen 14-Stunden-Tag in Angriff zu nehmen. Die Arbeitsethik geht dem Toskaner aus Arezzo über alles. (Thesy Kness-Bastaroli, DER STANDARD, 2.5.2012)