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Prestigeprojekt Olympia: Boris Johnson will Bürgermeister von London bleiben.

Foto: AP/Tan

Bloß 40 Prozent der wahlberechtigten Londoner wollen sich am Donnerstag zu den Urnen bemühen, um das Oberhaupt der Acht-Millionen-Metropole zu bestimmen. Dabei gilt das Amt des vor zwölf Jahren erstmals direkt gewählten Bürgermeisters von London als Erfolgsstory, und das macht nun Schule: In Referenden stimmen am Donnerstag die Bewohner großer Städte wie Birmingham, Manchester und Newcastle darüber ab, ob auch dort künftig das Stadtoberhaupt direkt vom Volk statt aus den Reihen der Kommunalparlamentarier gewählt wird.

Das Argument, man gewinne eine markante Führungsfigur, trifft auf London im Übermaß zu: Dort machen sich wie vor vier Jahren zwei Politiker den Posten streitig, deren Vornamen jeder Engländer kennt: Boris und Ken.

Labour-Veteran Ken Livingstone, 66, will wie von 2000 bis 2008 wieder im Rathaus an der Themse amtieren, wenn am 27. Juli Queen Elizabeth II. die Olympischen Spiele eröffnet. Der aus einer Arbeiterfamilie stammende "Red Ken" war schon vor 35 Jahren aktiv, als der konservative Amtsinhaber Boris Johnson, 47, noch das Elite-Internat Eton besuchte. Dessen Ergebnisse der letzten vier Jahre beurteilt Tony Travers von der London School of Economics zurückhaltend: "Boris hat weniger angepackt als Ken, aber das entspricht seiner konservativen Philosophie vom kleineren Staat."

Tatsächlich preist der Exjournalist mit den kunstvoll zerzausten Haaren hübsche Kleinigkeiten als Großtaten, wie etwa den Route master-Doppeldecker-Bus. Living stone hingegen prangert die gestiegenen Preise im öffentlichen Nahverkehr an; es gehe um einen ernsthaften Job und nicht um eine "Berufung als Komiker".

Johnson steht oft im Verdacht, er betrachte den Bürgermeisterposten bloß als Zwischenstation auf dem Weg in die Downing Street, dem Sitz des Premierministers. Die Briten scheinen ihm fast alles zu verzeihen - das Kuddelmuddel in den ersten Amtsmonaten, den Nebenjob als Kolumnist des "Daily Telegraph", die Liebesaffären, sogar seine sehr zögerliche Reaktion auf die Konsum-Krawalle im vergangenen Sommer. "So ist Boris eben", sagen viele Londoner achselzuckend.

In den vergangenen Tagen holte Livingstone in den Umfragen auf - das Rennen dürfte bis zuletzt spannend bleiben. Johnson muss hoffen, dass viele Wähler so denken wie John Nutting, kleinadeliger Anwalt der Queen, und einiger Spitzenpolitiker: Er stimme für Johnson, "weil ich glaube, dass Boris lediglich exzentrisch ist, während Ken ziemlich verrückt ist, gänzlich durchgeknallt." (Sebastian Borger aus London, DER STANDARD, 30.4.2012)