Vizekanzler Michael Spindelegger drängt auch die Länder zu billigeren Wahlkämpfen.

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Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) drängt die Bundesländer, die Regeln des Bundes zu übernehmen, Parteispenden transparent zu machen und die Wahlkampfausgaben mit sieben Millionen Euro pro Partei zu begrenzen. "Niemand kann ein Interesse daran haben, dass Wahlkämpfe so viel Geld verschlingen", sagt er im STANDARD-Interview. Er will den Ländern ein zeitliches Ultimatum stellen. Das könnte sich zuallererst auf Niederösterreich auswirken, dort sind in weniger als einem Jahr, im März 2013, Wahlen vorgesehen.

STANDARD: Glauben Sie, dass mit dem Transparenzpaket tatsächlich das Vertrauen in die Politik wiederhergestellt werden kann?

Spindelegger: Da bin ich fest davon überzeugt. Es gibt eine Sehnsucht danach, wieder Vertrauen in die Politik und in die Politiker haben zu können. Da braucht es ein paar Voraussetzungen, die haben wir jetzt geschaffen. Dieses Sauberkeitspaket umfasst viele verschiedene Bereiche, vom Lobbying, das zukünftig anders geregelt wird, über die strafrechtliche Frage, eine Verschärfung der Korruptionsbestimmungen nicht nur für Beamte und Minister, sondern auch für Abgeordnete bis hin zur Parteienfinanzierung.

STANDARD: Gibt es Bereiche, wo Ihnen dieses Paket nicht weit genug geht?

Spindelegger: Die entscheidende Frage ist, wie man mit Anstand Politik machen kann. Da gibt es Graubereiche. Ich kann mit der Rechtsordnung nicht alles reglementieren. Darum ist es für mich wichtig, dass ein Politiker der Volkspartei diesen Anstandsregeln, die eigentlich immanent sein müssten, ganz klar Folge leistet. Darum habe ich für die ÖVP einen Verhaltenskodex in Auftrag gegeben, der bald präsentiert werden wird. Da geht es um Fragen, was man darf und was nicht, unter rein politisch-moralischen Gesichtspunkten.

STANDARD:  Glauben Sie, dass sich eine Wahlkampfkostenobergrenze durchsetzen lässt, wenn die Opposition das nicht will? Die FPÖ hat sich sehr skeptisch geäußert.

Spindelegger: Durchsetzen kann man diese Obergrenze nur, wenn alle Parteien mit an Bord sind. Ich bin sehr dafür, dass wir endlich einmal die Oppositionsparteien, die immer groß im Ankündigen sind, in die Pflicht nehmen. Niemand kann ein Interesse daran haben, dass Wahlkämpfe so viel Geld verschlingen. Wir müssen die Wahlkampfkosten gesetzlich beschränken.

STANDARD:  Manche Landesparteien geben mehr Geld aus als die Bundesparteien, in Wien etwa oder auch in Ihrem Heimatland Niederösterreich. Glauben Sie, dass Sie die Länder tatsächlich zu einer Kostengrenze überreden können?

Spindelegger: Es ist ganz wichtig, dass die Bundesländer miteinbezogen werden. Die Länder werden analoge Bestimmungen erlassen wie der Bund. Wir haben in der Bundesregierung beschlossen, dass für Bund und Länder gleiche Standards zu gelten haben. Ich bin auch sehr dafür, dass wir Vorgaben machen, dass wir den Ländern auch zeitlich eine Vorgabe machen. Wir müssen auf allen Ebenen transparent werden.

STANDARD:  Künftig müssen Parteispenden ab einer Grenze von 5000 Euro offengelegt werden. Warum hat man diese Grenze nicht niedri-ger angesetzt, bei 1000 Euro etwa?

Spindelegger: Man könnte sie auch bei null ansetzen. Aber da sind wir bei den Mitgliedsbeiträgen. Jemand, der als Mit- glied einen Beitrag leistet, will damit nicht unbedingt in der Wiener Zeitung stehen. Darum braucht es eine gewisse Grenze.

STANDARD:  Welche Vorfeldorganisationen sind von der Transparenzregelung betroffen? Bauernbund, Wirtschaftsbund, auch Wirtschaftskammer, der SPÖ-nahe Echo-Verlag?

Spindelegger: Wir haben uns auf Vorfeldorganisationen geeinigt, das sind bei der ÖVP etwa die Teilorganisationen. Aber das gilt auch für Organisationen im Umfeld der Partei. Ein Unternehmen einer Partei ist genauso betroffen. Die Wirtschaftskammer ist eine durch Gesetz geschaffene Einrichtung, deren Organe durch alle Mitglieder gewählt werden: Die kann man nicht als Vorfeldorganisation der ÖVP sehen, sehr wohl aber eine dort wahlwerbende Gruppe wie den Wirtschaftsbund. Oder die FSG in der Arbeiterkammer, die muss man wie eine Parteiorganisationen sehen. Für die gelten alle Regeln des Transparenzpakets.

STANDARD:  Sie haben mit der FPÖ schon über ein Paket zur direkten Demokratie verhandelt. Wo wollen Sie in dieser Frage hin?

Spindelegger: Ganz klar: Ab einer Beteiligung von 100.000 Menschen bei einem Volksbegehren muss eine Sondersitzung des Nationalrats stattfinden. Wenn sich zehn Prozent der Wahlberechtigten an einem Volksbegehren beteiligen, das sind etwa 630.000 Unterschriften, dann muss verpflichtend eine Volksabstimmung stattfinden. Das ist unser Vorschlag. Seltsam ist, dass man von der FPÖ nichts mehr hört.

STANDARD:  Besteht nicht die Gefahr, dass auch Parteien ständig auf das Instrument der direkten Demokratie zurückgreifen und wir uns dann in einem permanenten Wahlkampf befinden?

Spindelegger: Das wird die Demokratie beleben und spannender machen. Aber klar ist auch, dass es eine gehörige Zahl an notwendigen Unterstützungserklärungen braucht. Wenn man die Größenordnung, ab der es eine verpflichtende Volksabstimmung gibt, mit zehn Prozent der Wahlberechtigten festsetzt, kommen wirklich nur Anliegen zum Zug, die von einer breiten Bevölkerungsschicht mitgetragen werden. Ich will ja auch nicht die Bürger alle zwei, drei Wochen zur Wahlurne rufen.

STANDARD:  Bei der ORF-Debatte steht der Verdacht im Raum, die Politik könnte diese Debatte dazu nutzen, den ORF rechtzeitig vor dem Wahlkampf 2013 zu disziplinieren. Was sagen Sie dazu?

Spindelegger: Das ist nicht meine Absicht. Ich möchte dem ORF eine moderne Struktur geben, wie es für ein modernes Unternehmen notwendig ist. Und dazu zählt die Frage eines echten Aufsichtsrats, dazu zählt die Frage einer echten Geschäftsführung. Man muss sich auch fragen, was öffentlich-rechtlich bedeutet und inwieweit es gerechtfertigt ist, Gebühren von jedem, der einen Fernseher hat, zu verlangen. Es geht nicht darum, wie man Redakteure unter die Knute zwingt. Das ist absolut nicht meine Absicht.

STANDARD:  Sie sind gegen das Alleingeschäftsführermodell. Heißt das, Sie wollen neben dem roten Wrabetz dann noch einen schwarzen Direktor? Wollen Sie die ORF-Führung im Proporz besetzen mit einem roten und einem schwarzen Chef?

Spindelegger: Interessant ist es schon, dass Sie diese Debatte sofort auf Personalrochaden verkürzen wollen! Darum geht es aber nicht. Es geht darum, dass das bedeutendste Medienunternehmen des Landes fit sein muss für die Zukunft: Finanziell und strukturell, um sich auf seine Kernaufgaben zu konzentrieren; österreichische Kultur und österreichische Lebensweise zu vermitteln mit ausreichend Geld für die Umsetzung, und das möglichst unabhängig.

STANDARD:  Wie soll der künftige Aufsichtsrat im ORF aussehen? Derzeit gibt es 35 Vertreter im Stiftungsrat. Sind das zu viele?

Spindelegger: Ich kann mir auch einen Aufsichtsrat mit 15 Personen vorstellen. Mir geht es darum, ein effizienteres, kleineres Gremium zu schaffen, das als echter Aufsichtsrat fungieren kann.

STANDARD: Bis wann soll diese Reform stehen?

Spindelegger: Noch in dieser Legislaturperiode. (Michael Völker, DER STANDARD, 28./29.4.2012)