Von Tirol in die Welt: "Ich hatte nur zwei Koffer, besaß weder Auto noch eine Wohnung."

Foto: Actavis

Feindbild der Ärzte und Apotheker zu sein hat Claudio Albrecht nie gestört. Bitterböse Briefe aus der Pharmabranche an seine Adresse bestätigen ihn nur in seiner Kritik an Österreichs Medikamentenpolitik, die er "voll auf dem Holzweg" sieht. Die Argumente gegen Generika seien haarsträubend, das Arzneimittelsystem antiquiert und das Land von Lobbyisten dominiert. "Aber ich tue mir leicht, kritisch zu sein, wir haben in Österreich wenig Umsatz zu verlieren."

Albrecht zählt im Geschäft mit nachgebauten Billigmedikamenten weltweit zu den Tempomachern. 22 Jahre ist der gebürtige Innsbrucker in der Branche. Er managte für Sandoz internationale Märkte und verdoppelte als Chef der Ratiopharm deren Umsätze, bis er mit den Eigentümern des deutschen Generika-Anbieters übers Kreuz kam und an die Luft gesetzt wurde. Beim Versuch, das Unternehmen zu kaufen, stach ihn Weltmarktführer Teva aus. "Die Übernahme wäre mir eine Herzensangelegenheit gewesen", sagt er - und nicht nur, weil "irgendwann alle Feinde an meinem Ufer vorbeischwimmen".

Vor zwei Jahren holte ihn die in der Schweiz ansässige isländische Actavis-Gruppe als Sanierer. In der Nacht auf Donnerstag brachte er ihren Verkauf über die Bühne. Der US-Branchenriese Watson legte mehr als vier Milliarden Euro auf den Tisch, um weltweit drittgrößter Hersteller patentfreier Arzneien zu werden. (hier geht es zum detaillierten Bericht)

Into the wild

Als junger Jurist verließ Albrecht einst Tirol und arbeitete sich in den USA, den Niederlanden, Argentinien, Deutschland, Israel in der Branche nach oben. "Ich hatte nur zwei Koffer, besaß weder Auto noch eine Wohnung." Er habe nicht mehr Talent als andere, sagt er. Karriere gemacht habe er, weil er dazu bereit gewesen sei, ins Ausland zu gehen. Mit "Haus, Hypothek und Familie" hätte sich alles anders entwickelt. Auch heute - trotz Häusern in Tirol und Portugal - sieht er sich vor allem auf dem Flughafen wohnen. "Das verlangt Lebenspartnern viel Verständnis ab. Für Kinder blieb bisher keine Zeit."

Der Markt für kopierte Medikamente sei ein aggressiver, es gehe um Kampf und blitzartiges Reagieren. "Es ist wie in der Formel 1 und ständig Dampf im Kessel; das fasziniert mich." Bei Actavis ist seine Mission erfüllt, sobald der Konzern in Watson integriert ist. Dass sich der 52-Jährige nur noch den Hobbys Laufen, Radeln und Skifahren widmet, darf bezweifelt werden. "Ich mache mir keinen Druck." Was anderes als ein Führungsjob komme nicht infrage. (Verena Kainrath, DER STANDARD, 27.4.2012)