Absurde Live-Schaltung: Bernd Oppls Kasten "untitled" beginnt zu vibrieren, wenn man ihm zu nahe tritt.

Foto: Oppl

Wien - Man erschrickt kurz, wenn man sich Bernd Oppls Installation "untitled" (2010) nähert und der Elektromotor ratternd anspringt. Ein Bewegungsmelder auf dem Boden erweckt ihn zum Leben und lässt den kleinen schwarzen Kasten, der zwischen elastische Seile gespannt ist, heftig vibrieren.

Ein vorn angebrachter Bildschirm zeigt vier kleine Kugeln wie angeregte Atome wild durch das Schuhkarton-ähnliche Gehäuse springen - live aufgenommen von einer hinten am Kasten montierten Kamera.

Oppl simuliert eine Art "Miniaturerdbeben", um eine Wirklichkeit vorzutäuschen. Die Bälle hüpfen scheinbar von allein. Dabei vibriert in Wahrheit der ganze Kasten - die Kamera ist an selbigem angebracht. Die Live-Übertragung wird ad absurdum geführt. Man tritt von hinten heran und sieht das echte Geschehen.

Vier Positionen

Der vibrierende Kasten ist Teil der heuer beginnenden Serie "Visionen der Medienkunst", die von der Medienwerkstatt Wien und "Fluss - Nö. Initiative für Foto- und Medienkunst" initiiert wird. Mit Bernd Oppl, Nicole Pruckermayr/Johannes Zmölnig und Jens Sundheim beschäftigen sich vier zeitgenössische Medienkünstler mit historischen Utopie-Positionen. Beginnend mit Dziga Vertovs "mechanischem Auge" drehen sich die drei gezeigten Arbeiten um Vorstellungen, Visionen und Wünsche.

So erfüllen sich Pruckermayr/Zmölnig mit ihrer Arbeit "Row the Net" den Wunsch, mit einem Rudergerät sprichwörtlich durch die Unendlichkeit des WWW zu paddeln. Statt kurzer Klicks auf einer Maus braucht es Schmalz in den Armen und etwas Geduld, um sich durch das Internet zu manövrieren. Auf einer Projektion sieht man sich virtuell durch einen weißen Raum bewegen.

Die Homepage der Medienwerkstatt dient dabei als Ausgangspunkt. Ziel ist es, die zu Türmen aufgestapelten Websites zu erreichen und über Links zu weiteren Seiten zu gelangen. Reale und virtuelle Welt sind somit über etwas ganz Archaisches wie das Rudern verbunden. (Michael Ortner, DER STANDARD, 24.4.2012)