ModeratorIn: derStandard.at begrüßt Stephan Raab und Rodrigo Jorquera vom Bundesvorstand der Piratenpartei Österreichs im Chat. Wir bitten die UserInnen um Fragen.

Raab/Jorquera: J: Einen Gruß an alle Mitbürger, die aktiv tätig sind, Österreich zu einem schöneren Ort zu machen. R: Von mir auch einen Gruß an alle aktiven Mitleser.

frank rosner: Ersuche um Darstellung ihres Parteiprogammes, sowie Namhaftmachung der führenden Parteimitglieder. Danke.

Raab/Jorquera: J: Die zwei wichtigsten Punkte der Piratenpartei sind zum einen die Transparenz und zum Zweiten die Partizipation. Die Transparenz bewirkt, dass der Bürger informiert ist über die Vorgänge im Staat, und die Partizipation lässt zu, dass er gegebenenfalls Dinge in seinem Sinne ändern kann. R+J: Die führenden Parteimitglieder sind die Mitglieder selber. Der Bundesvorstand besteht aus folgenden Personen: Jonas Reindl, Patryk Kopaczynski, Stephan Raab, Gerhard Kleineberg, Rodrigo Jorquera.

GCS01: wie wollen sie innerhalb ihrer partei ein ideologisches grundkonzept erarbeiten? in welche richtung soll es gehen?

Raab/Jorquera: J: Wir haben Arbeitsgruppen, die bei uns Task Forces heißen, wo interessierte Mitglieder aktiv am Parteiprogramm mitarbeiten können. Es ist auch eine Plattform in Planung, die aktive Bürgerbeteiligung gewährleisten soll. So können auch lokale Themen von den Bürgerbewegungen angesprochen werden. Es ist ein großes Anliegen der Piratenpartei, den Bürgern eine Plattform für politischen Diskurs zu bieten. R: Die Richtung ist eindeutig - mehr persönliche Freiheit, weniger Überwachung und direkte Einflussnahme auf politische Entscheidungen. J: Der Mensch soll aktiv an der Gestaltung seiner Lebensrealität teilnehmen können.

Bonnie Prince Charlie: Inwieweit empfinden Sie es als problematisch, von der heimischen Öffentlichkeit nur als billiger Abklatsch ihrer deutschen Kollegen gesehen zu werden?

Raab/Jorquera: R: Die Zukunft wird zeigen, dass die Piratenpartei Österreichs sehr wohl ein eigenes Profil entwickeln wird und sich auch von den deutschen Piraten in einigen Punkten unterscheiden. J: In Berlin waren die richtigen Leute am richtigen Ort zur richtigen Zeit und haben die richtigen Dinge getan.

Dante75: Wie sieht es mit dem Verhältnis zur Tiroler Piratenpartei aus? Wenn man so in euren (öffentlichen) Foren ließt scheint das Verhältnis ja *sehr* angespannt zu sein (u.a. konnte ich einen Beitrag von "hellboy" finden, in dem er die Tiroler als "Gesind

Raab/Jorquera: J: Das ist eine persönliche Fehde zwischen zwei Mitgliedern der jeweiligen Parteien. Das Gros der Basismitglieder fühlt sich den Piratenwerten verbunden und freut sich über den Erfolg von Schwesternparteien. R: Wir sind nicht glücklich über persönliche Animositäten, aber wir sind eine junge Partei, in der auch manchmal mit Worten über das Ziel hinausgeschossen wird.

Fux220385: Ist es möglich, sich bei Ihrer Partei miteinzubringen (nicht als Wähler, sondern aktiv)? Und wenn ja - Wie und muss ich zwingend gute Computerkenntnisse haben um dies zu tun?

Raab/Jorquera: R: Wir wünschen sogar, dass sich so viele wie möglich aktiv in unsere Partei einbringen und unseren Kurs mitbestimmen. Die Piratenpartei bietet dafür diverse Plattformen und Werkzeuge, um direkt an der Willensbildung der Partei teilzunehmen. J: Es wird gerade daran gearbeitet, die technische Hürde auf ein Minimum zu beschränken. Das Ziel ist es, dass jede Oma mit unseren Werkzeugen ihr Anliegen einbringen kann.

Richard Kégl1: Haben die Piraten, ausser dem freien Internet, noch andere gesellschaftspolitische Ziele - z.B. in Richtung Sozialökonomie, Neutrales Geld, Gemeinwohlökonomie, Permakultur, Nachhaltigkeit,...

Raab/Jorquera: R: Natürlich haben wir auch andere gesellschaftspolitische Ziele, die bei uns über Arbeitsgruppen erarbeitet und definiert werden, aber wir sind eine junge Partei und müssen uns auch das entsprechende Fachwissen erst aneignen. Durch die vielen neuen Mitglieder bekommen wir immer weiter Fachkompetenzen in unseren Arbeitsgruppen. J: Unsere Art der Politik resultiert aus der Partizipation, d.h., Menschen mit verschiedenstem ideologischen Hintergrund treffen sich und suchen einen Konsens, daher werden Lösungen möglich, die vielleicht sonst nie angedacht wurden.

Skeletor, Overlord of Evil: Arrr! Die Republik wird derzeit von einem Korruptionsskandal nach dem anderen erschüttert, das Vertrauen in die Spitzen des Staates ist auf dem Tiefpunkt. Welche sind Ihre Rezepte, um in Zukunft Korruption zu verhindern? Wie werden Sie sicher stelle

Raab/Jorquera: J: Die Kommunikationsstrukturen und unsere Entscheidungsfindungen finden vollkommen transparent statt, d.h., jedes unserer Mitglieder hat jederzeit das Recht und die Möglichkeit, die Entscheidungen des Vorstandes oder eines anderen Organs in Frage zu stellen und auch Auskunft zu bekommen. Dadurch, dass wir das Internet als Medium verwenden, ist es unmöglich intransparente Machenschaften zu verschleiern. Das Internet vergisst nicht. R: Politiker sollten wir wieder mit Ethik, Ehrgefühl und Loyalität in Verbindung bringen. Meiner Meinung nach darf es nicht sein, dass ein Politiker, der Mitglied eines U-Ausschusses ist und unter staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen steht, nicht so viel Ehrgefühl hat, sein Amt bis zum Abschluss der Ermittlungen ruhen zu lassen. So etwas frustriert die einfachen Bürger und schafft Politikverdrossenheit.

Bonnie Prince Charlie: Anscheinend war es vermessen von mir, eine gut gemachte Homepage zu erwarten und sie haben hiermit etwas Bonus verspielt. Abgesehen davon, das Geschmäcker verschieden sind - was antworten Sie mir?

Raab/Jorquera: J: Da muss ich Ihnen leider zustimmen. Eine neue Webseite mit neuen Inhalten und zusätzlichen Möglichkeiten der Interaktion ist in Arbeit und wird in den nächsten vier Wochen vorgestellt.

Pauli Brown: Hallo, was schätzt ihr wie viel Prozent "SpaßwählerInnen", die euch wählen weil es lustig ist, habt ihr?

Raab/Jorquera: J: Politik soll auch Spaß machen. Dennoch nehme ich die Aufgabe, die mir als Bundesvorstand gestellt wurde, sehr ernst. Eine gute Mischung wäre meine Idealvorstellung. R: Sollten Spaßwähler unter unseren Wählern sein, dann ist es unsere Aufgabe, diesen Menschen zu zeigen, dass Politik mit Spaß verbunden sein kann, aber ernste Ergebnisse bringen sollte. Das ist unser Ziel.

daxka: Warum die Ideenlosigkeit in der Wahl des Parteinamens?

Raab/Jorquera: R: Das ist kein Zeichen von Ideenlosigkeit. Der Name der Piratenpartei ist aus dem Filesharing-Portal Pirate Bay entstanden. Nach der Schließung dieses Portals hat sich eine Gruppe gebildet, die das Urheberrecht reformieren wollte. Aus der Pirate-Bay-Idee wurde dann die Piratenpartei entwickelt. J: Die Piratenpartei Österreichs steht im intensiven Kontakt zu den Schwesternparteien in 55 Ländern - Tendenz steigend. Der Vorteil, hier mitmachen zu können, ist das gegenseitige Lernen voneinander, d.h. im Detail, dass wir Ideen und Prozesse, die in anderen Ländern entwickelt wurden und sich als tauglich herausgestellt haben, für unsere Zwecke adaptieren können.

sansan: Was sollen Nicknamen wie "Hellboy" auf der Seite des Bundesverbandes bezwecken? Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Name "Hellboy" bei einer Wahl die Massen anspricht, der Name lässt nicht an einen Sympathieträger denken. Gibt es ein Bestreben z

Raab/Jorquera: R: Professionalität drückt sich sicher nicht in der Wahl der Namen aus. Davon ganz abgesehen nutzen viele der Mitglieder ihre Nicknamen schon lange Jahre. Sicherlich wird in Zukunft die Wahl auch eines Nicknamen etwas fantasievoller werden. J: Die Piratenpartei ist eine Partei, wo der Inhalt den jedes Mitglied produziert im Vordergrund steht. Der Nickname ist vollkommen zweitrangig. Die Bestrebungen gehen in Richtung einer organisatorisch-strukturellen Professionalität, die im Moment vom Vorstand umgesetzt wird. Wir sehen NLP und Ähnliches nicht als Kommunikationsformen die zum Austausch geeignet sind.

ScMa: Was halten Sie von geschlechtergerechter Formulierung?

Raab/Jorquera: R: Es ist nicht wichtig, ob gute Inhalte, neue Ideen von Frau oder Mann kommen. Was zählt, ist der Inhalt. J: Die offizielle Position der Piratenpartei Österreichs beinhaltet den Postgenderansatz, das heißt nicht, dass wir die Augen verschließen vor der Realität der Frauen. Es heißt, dass wir eine Welt anstreben, wo Rasse, Staatszugehörigkeit, Geschlecht und Religion unwichtig sind. Zählen soll nur, was das Individuum für das Gemeinwohl leistet.

mephista: Steht Ihre Partei für mehr direkte Demokratie in Form von Beteiligungsmöglichkeiten übers Internet?

Raab/Jorquera: R: Unter anderem natürlich. Trotzdem möchten wir zukünftig auch für die nicht "internetaffinen" Bürger die Möglichkeit schaffen, auch ohne große technische Voraussetzungen an der Meinungsbildung unserer Partei teilnehmen zu können. Entwicklungen, um dieses zu verwirklichen, werden von unseren Task Forces entwickelt. Dies ist aber sicherlich eine Aufgabe, die nicht in vier Wochen zu realisieren ist. J: Ich stimme dem Gesagten in allen Punkten zu. Ich muss aber zu bedenken geben, dass für diese Art von Partizipation ein freies Internet von nöten ist.

Achmo Ledbid: Werden die Piraten bei der NR-Wahl 2013 teilnehmen?

Raab/Jorquera: R+J: Ja.

Rooster Cogburn: Inweiefern bieten sie etwas, dass die Grünen nicht bieten?

Raab/Jorquera: J: Wir bieten direkte Demokratie auf einem Medium, das es einer immer größeren Gruppe der Bevölkerung ermöglicht, interaktiv zu jeder Tageszeit am politischen Diskurs teilzunehmen. Und das in einer transparenten Form. R: Die Grünen sind einfach ein Teil des etablierten Systems mit all ihren Nachteilen. Wir sind eine junge Partei die neue Pfade beschreitet, die eine direkte Beteiligung ermöglicht, und damit unterscheiden wir uns von allen anderen etablierten Parteien.

zweiter von vielen: Das alte Bundesforum sowie das Wiki, welche die Historie der ersten 5 Jahre Parteigeschichte beinhalten sind seit etwa 1 Jahr nicht mehr vorhanden. Weshalb ist das so, und wer trägt dafür die Verantwortung?

Raab/Jorquera: R: Der neu gewählte Vorstand ist mit Hochdruck am Arbeiten, um eine moderne und piratische Plattform für alle Bürger zu bieten. Verantwortung trägt natürlich der Vorstand. J: Die Inhalte sind natürlich nach der Umstellung wieder zugänglich.

lotor: Von Toni Straka kam bei der zweiten ACTA-Demo in Wien der Spruch: "Egal ob links oder rechts - Gemeinsam gegen ACTA!" Da auch die deutschen Piraten immer wieder Probleme mit Mitgliedern mit rechtem Gedankengut haben (Aaron König, Kevin Barth, Matthi

Raab/Jorquera: J: Solange Ansichten demokratische Grundwerte nicht in Frage stellen, sind politische Positionen, ob sie rechts oder links sind, nicht abzulehnen. Wir sind eine pluralistische Partei, die im Unterschied zu anderen den Dialog unterstützt. Wenn man die ideologischen Barrieren beiseitelässt, bin ich der Überzeugung, dass Menschen wieder miteinander reden können, um einen Konsens zu finden, der im beidseitigen Interesse ist. Meine persönliche Meinung ist, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist.

Maria Weber: Bezüglich Meinungsfreiheiten. Würden die Piraten das NS-Verbotsgesetz abschaffen? Und wie stehen sie zu einem Gesetz das öffentlichen Frauenhass oder Rassimus starfbar macht.

Raab/Jorquera: R: Das NS-Verbotsgesetz ist gut, wie es ist. Man kann Beispiele wie Frauenhass oder Rassismus nicht mir Gesetzen regeln, das ist ein gesellschaftliches Phänomen, welchem nur durch Überzeugungsarbeit und die Sicht auf Realitäten zu begegnen ist.

Thomas Höbelt: Anders gefragt, wie gehen sie miz z.B. einem oder mehreren Neonazi(s) um der sich einbringen will ???

Raab/Jorquera: R: Ein bekennender Neonazi ist von der Begrifflichkeit her schon undemokratisch und hätte sicherlich mit der Einstellung keine Chancen bei irgendwelchen Piraten. J: Ich glaube kaum, dass solch ein Individuum in eine Organisation eintreten würde, wo einer der Vorstandsmitglieder Migrationshintergrund hat.

xernot: ist die idee von p. pilz fuer euch interessant. (gruene/priaten in einem boot) ... ?

Raab/Jorquera: J: Das Angebot ehrt uns. Wir müssen dieser netten Idee aber absagen. R: Ich warte auf die übernächste Wahl, wo wir den Grünen dann gerne einen Listenplatz anbieten.

GCS01: wie will sich die piratenpartei ihren möglichen wahlkampf finanzieren? gibt es schon sponsoren?

Raab/Jorquera: J: Bei der letzten Bundesgeneralversammlung hat sich ein Großteil der Mitglieder für eine Spendentransparenz ab null Euro ausgesprochen. Das macht uns natürlich die Sache nicht leichter, aber wir sind Piraten. Wir sind Meister im Improvisieren. R: Mit zunehmender positiver Außendarstellung der Piraten wird das Spendenaufkommen sicherlich steigen. J: Sämtliche Politikwissenschafter attestieren, dass das Wahlverhalten nicht abhängig ist von Plakatwerbung. Wir werden daher auf unsere Stärken setzen und das Internet als Transportmedium für unsere Inhalte nutzen.

ModeratorIn: derStandard.at bedankt sich bei den Piraten und den UserInnen fürs Chatten. Ahoi.

Raab/Jorquera: R: Wir freuen uns, dass wir hier sein durften und Ihre Fragen beantworten konnten. J: Arrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr