Normalerweise fließen Gedanken von Freiheit zwischen meinen Ohren herum, wenn ich auf einem Motorrad sitze. Oder, lass den Aufschlag nicht zu heftig sein. Um Rundenzeiten kümmere ich mich ja eher weniger. Aber auf der Kawasaki W 800 Special Edition geht mir nur ein Gedanke durch den Kopf: „Hoffentlich sagt dir keiner, dass das Motorrad gut zu dir passt."

Foto: Werk

Denn genau das tut die W 800. Sie ist retro, schaut sehr alt aus. Nur ich will am Motorrad gar nicht so alt sein wie, ich aussehe, und mich mit einem künstlich gealterten Motorrad in eine Zeit versetzen, in der angeblich alles besser war.

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Weil sie, die gute alte Zeit, aber auch ihre Schwächen hatte, bauen inzwischen einige Motorradhersteller Retro-Bikes mit moderner Technik. Soll heißen, die neuen Alten haben so was wie ein Fahrwerk und etwas, das man Bremsen nennen kann. Und den Unterschied, der aus dem Auspuff kommt, den hätte ich gerne bei meinen Rundenzeiten gutgeschrieben.

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Kawasaki macht den Café Racer W 800 Special Edition aber ein wenig edler als alle anderen, denn Kawa verbaut noch die wunderschöne Königswelle - als Erinnerung an das Mutterschiff, die W1. Das war bei der Vorgängerin W 650 schon so. Optisch ist die 800er einfach die frischere Schwester. Sie hat nun mit dem 733 Kubikzentimeter großen Reihen-Zweizylinder ein größeres Herz - ist aber um zwei PS schwächer und hat etwas mehr Drehmoment. Wir stehen bei 48 PS und 60 Newtonmeter.

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Warum die W 800 mit mehr Hubraum trotzdem an Leistung verliert, lässt sich wohl mit den Abgasvorschriften erklären. Die machten einst auch der Z1000 zu schaffen. Nur anders als die Zett, ist die Weh keine Ausgeburt an Spritzigkeit und Wendigkeit. Eher im Gegenteil. Mit ihr kann man herrlich cruisen und old-school-gondeln.

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Die Sitzposition ist sehr retro. Die Knieschluss-Bierdeckel am Tank erinnern an den alten Fahrstil. Und ich erwische mich immer wieder dabei, selbst die Knie an den Tank zu pressen. Weil so vertrauenserweckend ist das Gefährt nicht. Sie lenkt anscheinend nicht so gerne ein, würde lieber auf ihrer Spur weiterfahren. Aber ja, sie ist eben keine Rennmaschine.

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Das merkt man auch an den Bremsen. Die sind superzahm. Mit stoischer Ruhe bringen sie das Motorrad zum Stillstand. Das sollte man auch bedenken, wenn man es einmal etwas schneller angehen lässt. Dass das funktioniert, habe ich schon gesehen. Nur weil ich es nicht schaffe, heißt es wohl nicht, dass es nicht geht. Ich könnte an dieser Stelle vernichtende Geschichten erzählen, von einer W, die mir, deutlich besser motorisiert, schwere Aufgaben stellte.

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Ich besinne mich lieber auf den Schau-Lauf. Moped während der Fahrt herzeigen, funktioniert mit der W 800 ganz gut. Vor allem weil man immer wieder jemanden trifft, der die Kawa trotz der Scheibenbremse vorne für wirklich alt hält. Und schön ist sie ja, die W, sehr schön. Königswelle, Endtopf, Tank, die golden eloxierten Felgen - da kann man sich schon verlieben.

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Perfekt hinbekommen haben die Techniker auch, dass man den Motor so angenehm bei der Arbeit spürt. Das Motorrad vibriert merklich, aber nicht störend, sondern faszinierend. Trotzdem bleibt am Schluss, dass ich noch nicht der Mann für dieses Motorrad bin. Aber gebt mir noch zehn, zwölf Jahre, eine schwarze Lederhose, einen Jet-Helm und 10.199 Euro ...

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Kawasaki W 800 Special Edition

Motor: 2 Zylinder-4-Takt-Motor, 8 Ventile
Hubraum: 773 ccm
Leistung: 35 kW (48 PS) bei 6.500 U/min
Drehmoment: 60 Nm bei 2.500 U/min
Getriebe: Fünfgang-Getriebe
Radaufhängung vorne: 39 mm Teleskop-Gabel
Radaufhängung hinten: Schwinge mit zwei Federbeinen
Bremse vorne: Scheibenbremse, Ø 300 mm, Doppelkolben
Bremse hinten: Simplex-Trommelbremse, Ø 160 mm
Reifen vorne: 100/90 19M/C
Reifen hinten: 130/80 18M/C
Gewicht vollgetankt: 217 kg
Sitzhöhe: 790 mm
Preis: ab 10.199 Euro

+Wunderschöner Café Racer mit Königswelle.

- Wer das Fahrverhalten der orignalen Café Racer kennt, wird begeistert sein - wer ein aktuelles Bike fährt, aber gefordert (Guido Gluschitsch, derStandard.at, 16.4.2012)

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