Rheuma-Orthopäde Peter Zenz setzt auf Patienten-Empowerment und die Vernetzung der Fachbereiche.

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Der Orthopäde Peter Zenz setzt auf ein interdisziplinäres Netzwerk, die Patientenorganisation help4youcompany hilft bei der Wissensvermittlung. Mündige Rheumakranke sind das Ziel. Karin Pollack fragte nach.

Standard: Warum engagieren Sie sich für aktive Patientenbildung?

Zenz: Rheuma ist eine schwere, aber heute schon gut behandelbare Erkrankung. Das Bild eines verkrüppelten Rheumakranken sitzt aber immer noch tief im kollektiven Gedächtnis. Patientenveranstaltungen sind eine Möglichkeit, diesen Vorurteilen entgegenzuwirken und Menschen qualifiziertes Wissen über ihre Therapieoptionen zu vermitteln. Wir informieren konkret, um erfolgreich gegen die Krankheit zu sein, das ist enorm wichtig.

Standard: Warum?

Zenz: Weil wir auf die Mithilfe der Patienten bei dieser chronischen Erkrankung angewiesen sind. Ziel ist eine Remission. Das bedeutet, dass der akute Entzündungsprozess im Körper gestoppt wird, bevor irreversible Schäden entstanden sind. Es gibt aber viele Wege, um das zu erreichen. Doch Medikamente wirken erst nach einer gewissen Zeit. Wir probieren Kombinationen aus, bis wir die richtige gefunden haben. Ein Schmerztagebuch kann hilfreich sein. Die Geduld der Patienten wird jedenfalls auf die Probe gestellt.

Standard: Rheumapatienten gelten als schwierig. Stimmt das?

Zenz: Wer dauerhafte Schmerzen hat, ist gezeichnet, das stimmt. Schwierig empfinde ich Schmerzpatienten trotzdem nicht. Man muss sich Zeit nehmen, die ganze Geschichte eines Menschen kennenlernen, Diagnosen stellen und dann gemeinsam eine Therapie finden. Schwierige Schmerzpatienten sind eine Herausforderung.

Standard: Wie erfolgreich sind Sie?

Zenz: In 80 Prozent schaffen wir den Stillstand der Erkrankung oder sogar eine Remission, nur bei den sehr aggressiv verlaufenden des entzündlichen Gelenkrheumatismus sind unsere Mittel noch nicht gut genug. Das betrifft etwa 20 Prozent der Rheumapatienten. Doch auch eine Operation kann eine Therapieoption sein, allerdings haben viele Angst davor. Meine Aufgabe ist es, hier Mut zu machen.

Standard: Schaffen Sie denn das?

Zenz: Angst entsteht, wenn es unterschiedliche Meinungen gibt. Bei Rheuma sind viele Fachbereiche involviert, vor einer Operation müssen Rheumatologen und Orthopäden zusammenarbeiten, anschließend geht es in der Rehabilitation darum, mithilfe von Ergo- und Physiotherapeuten, Patienten wieder mobil zu machen. Wir haben hier ein hochspezialisiertes Team, und die help4youcompany ist eine Organisation, die als eine Art Anlaufstelle in diesem Netzwerk fungiert. Dort arbeiten Rheumapatienten, die das System und seine Schwächen kennen. Sie nehmen Patienten an der Hand.

Standard: Welche Schwächen gibt es im System?

Zenz: Das Problem ist vielschichtig. Nicht jeder praktische Arzt ist Rheuma-Spezialist. In den letzten Jahren hat sich in fachlicher Hinsicht sehr viel getan. Es gibt eine Reihe unterschiedlicher Therapieoptionen. Permanente Weiterbildung ist daher die Voraussetzung, um Patienten erfolgreich zu behandeln. Selbst Fachärzte sind nicht immer auf dem letzten Stand, auch das kann der Grund sein, warum Behandlungen nicht anschlagen.

Standard: Wie sollen Patienten Kompetenz beurteilen?

Zenz: Wir arbeiten an einer Verbesserung, vernetzen die Fachärzte-Gesellschaften, bieten Weiterbildungen an. Am Ende lernen wir alle voneinander, werden kompetenter. Es sollte ein Austausch sein.

Standard: Und wenn operiert werden muss, was ist zu beachten?

Zenz: Es gibt gute Gründe, eine Operation hinauszuzögern, aber auch solche, sie schnell durchzuführen. Wichtig ist eine gemeinsame Einschätzung und dann eine Planung. Bestimmte, immunsupprimierende Medikamente müssen im Vorfeld abgesetzt werden. Wenn mehrere Gelenke befallen sind, muss entschieden werden, welche zuerst und welche gemeinsam operiert werden können. Auch unsere Anästhesisten sind auf Rheumapatienten spezialisiert. Wir haben hier viel Expertise gesammelt. (Karin Pollack, DER STANDARD, 16.4.2012)