Berlin - Die Aufregung um das "Israel-Gedicht" des deutschen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Günter Grass, in dem er vor einem Angriff Israels auf den Iran warnt, findet kein Ende. Im Gegenteil: Grass legte in der Süddeutschen Zeitung nach und rückte Israels ultrareligiösen Innenminister Eli Jischai von der Shass-Partei in die Nähe des DDR-Stasi-Chefs Erich Mielke.

Jischai hat gegen Grass ein Einreiseverbot nach Israel verhängt, woraufhin Grass erklärte, dies sei eine "in Diktaturen übliche Praxis", die er selbst in der DDR sowie in Burma erlebt habe und die ihn in ihrem Tonfall an das Verdikt Mielkes erinnere.

Der im Jahr 2000 verstorbene Erich Mielke war in der DDR lange Zeit Chef der Staatssicherheit und extrem unbeliebt. Nach der Wende wurde er wegen eines im Jahr 1931 verübten Doppelmordes an Polizisten zu sechs Jahren Haft verurteilt.

In seinem Beitrag für die SZ erhebt Grass weitere schwere Vorwürfe gegen Israel. Als "Atommacht von unkontrolliertem Ausmaß begreift sich die israelische Regierung als eigenmächtig und ist bislang keiner Ermahnung zugänglich", schreibt er. In seinem Gedicht hatte Grass erklärt, ein israelischer Erstschlag gegen den Iran könne das "iranische Volk auslöschen".

Trotz der neuen Kritik will sich der israelische Innenminister Jischai mit Grass treffen. Durch seinen Sprecher ließ er erklären, wenn Grass "daran interessiert sein sollte, mit dem Schreiben antisemitischer Gedichte aufzuhören", werde er ihn gerne "in einem neutralen Land" treffen und ihm erklären, dass ein ehemaliges SS-Mitglied (gemeint ist Grass) "kein Recht hat, in das Land eines Volkes zu reisen, dessen Vernichtung er mitbetrieben hat".

In der SPD lehnen einige Politiker nun Wahlkampfhilfe durch Grass im Bundestagswahlkampf 2013 ab. Der Bundestagsabgeordnete Reinhold Robbe, der auch Präsident der deutsch-israelischen Gesellschaft ist, erklärt, die meisten Sozialdemokraten hätten ein besonderes Verhältnis zu Israel und würden dies als "Provokation" empfinden.

Das Thema Grass wird auch den neuen deutschen Bundespräsidenten Joachim Gauck beschäftigen. Er will Ende Mai nach Israel reisen. (bau, DER STANDARD, 13.4.2012)