Maria Rauch-Kallat hat auf meinen vor zwei Wochen an dieser Stelle an sie adressierten Brief leider nicht reagiert. Die Frage, wofür sie von einer Wohnbaugesellschaft 58.000 Euro bekommen hat, bleibt somit weiterhin ungeklärt, auch die Forderung des Revisionsverbandes nach Vorlage eines entsprechenden Vertrages wurde von ihr nicht erfüllt.

Immerhin könnte man daraus hoffnungsfroh folgern, dass die um moralische Augenhöhe mit ihrem Gatten Alfons Mensdorff-Pouilly bemühte Ex-Ministerin keine Comeback-Ambitionen innerhalb der ÖVP mehr hegt. Deren Obmann Michael Spindelegger fordert nämlich eine "Kultur der Ehrlichkeit in der Politik" und will alle Politiker seiner Partei zur Unterzeichnung eines "Verhaltenskodex" verpflichten. "Politiker sind Volksvertreter, und als solche wollen und müssen wir Vorbilder für die Menschen in unserer Heimat sein", meint der Vizekanzler und ergänzt zum Thema Parteienfinanzierung: "Ich kann mir ein System vorstellen, in dem wir sagen: Alles wird offengelegt und überall."

Dass Spindelegger damit nahezu ausnahmslos zwischen mitleidigem Lächeln und dröhnender Verhöhnung oszillierende Reaktionen geerntet hat, mag seiner persönlichen Außenwirkung geschuldet sein. Nach einer vergleichbaren Absenz von Charisma, Vision und Durchsetzungskraft muss man sogar in der Volkspartei lange suchen. Doch genau darin liegt die Chance auf einen Überraschungs-Coup, wie ihn nur ein von allen Unterschätzter landen kann. Zum Beispiel in Form einer Erklärung mit folgendem Wortlaut:

"Um meiner Forderung nach einer Kultur der Ehrlichkeit in der Politik nötigen Nachdruck und entsprechende Glaubwürdigkeit zu verleihen, habe ich mit sofortiger Wirkung den bisherigen Kärntner ÖVP-Obmann Josef Martinz von all seinen Parteifunktionen enthoben und ein Parteiausschluss-Verfahren gegen ihn eingeleitet. Sein Verhalten im Zusammenhang mit der Zahlung von sechs Millionen Euro Steuergeld für ein sechs Seiten starkes Gutachten an seinen eigenen Steuerberater und seine sowohl An- als auch Verstand verhöhnenden Rechtfertigungen dafür sind für mich, unabhängig von etwaigen daraus noch resultierenden strafrechtlichen Konsequenzen, nicht länger tragbar. Darüber hinaus garantiere ich persönlich, dass ich in dieser Angelegenheit nicht eher ruhen werde, bis mit Sicherheit geklärt ist, wo und bei wem die für nicht real erbrachte Leistungen bezahlten sechs Millionen Euro tatsächlich gelandet sind.

Sollte sich dabei herausstellen, dass auch nur ein Cent den Weg in eine Parteikasse gefunden hat, haben die dafür Verantwortlichen mit schärfsten Konsequenzen zu rechnen. Dieses Versprechen gilt ebenso für die Aufklärung undurchsichtiger Zahlungen bei der Vergabe des Behördenfunk-Projekts Tetron oder rund um die Anschaffung der Eurofighter."

Nach diesem Befreiungsschlag könnte ein nun plötzlich mit Respekt konfrontierter Spindelegger gleich die nächste Aufgabe in Angriff nehmen: die Neugründung der Partei. Und falls er das lieber zuerst im kleinen Rahmen ausprobieren möchte, böte sich mit der im einstelligen Prozentbereich inferior vor sich hin dümpelnden Kärntner ÖVP ein perfektes Versuchsobjekt an. (Florian Scheuba, DER STANDARD, 12.4.2012)