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Wenn Polemik überhandnimmt, drehen sich die Argumente im Kreis. Auswege werden gesucht, aber in welche Richtung?

Foto: APA/Büttner

Die "Profil"-Journalisten Gernot Bauer und Robert Treichler haben sich erdreistet, den von FrauenpolitikerInnen hinausposaunten "Gender Pay Gap" von 25 Prozent kritisch zu hinterfragen. Bei ihren Berechnungen - basierend auf Daten seriöser Institute und Befragungen von Betriebsräten - kamen sie auf nicht einmal die Hälfte dieses Prozentsatzes und stellten gar die Behauptung auf, der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in vergleichbaren Positionen wäre wahrscheinlich nur einstellig.

Sofort fielen besagte FrauenpolitikerInnen und ihre journalistischen SympathisantInnen über die beiden her. Die verbleibenden zwölf oder weniger Prozent wären zwar - bekanntermaßen (warum wurden sie dann aber nicht längst offiziell kommuniziert?) - weniger als die unbereinigten 25, aber eben immer noch eine Diskriminierung, welche das Autorenduo durch die Korrektur nach unten kleinreden und somit ganz zum Verschwinden bringen möchte. Abgesehen davon, dass Bauer und Treichler das nicht tun, sondern bloß - zu Recht - auf unseriöses Hantieren mit falschen Zahlen hinweisen: Was den verbleibenden, bereinigten Rest an Lohnunterschied betrifft, lässt sich aus ihm immer noch nicht auf eine Verschwörung der Männer schließen. Denn was die Ursachen für diesen Rest betrifft, können nur Vermutungen angestellt werden.

So geht der Kampf in die nächste Runde, wobei sich viele Argumentationen auf erschreckende Weise im Kreis drehen. Aus vorsätzlicher Verzerrung der Fakten und ihrer Interpretation zu frauenpolitischen Propagandazwecken? Aus Dummheit bei der Analyse der Sachlage im Besonderen, der Welt im Allgemeinen und der möglichen Ursachen für die vermeintlichen Ungerechtigkeiten? KritikerInnen des "Profil"-Artikels über "Die Wahrheit über die Ungleichheit" werfen den Autoren einen polemischen Stil vor. Doch das ändert nichts an den Fakten, die er behandelt. Bei allem Respekt für jene, die sich bereits an Stilfragen erregen: Ist nicht die Kritik an der angeblichen Diskriminierung der Frauen durch die Männer von ihren RepräsentantInnen schon lange ins Polemische und Aggressive abgeglitten? Es sollte daher auch hier gelten: Wer austeilt, muss auch einstecken können!

Wenn Ulla Schmid, "Profil"-Kollegin von Bauer und Treichler, in ihrem Kommentar "Unter Wutmännern" in der aktuellen Ausgabe des Magazins die aggressiven Kommentare zitiert und diese auf ebenso stillose Weise kritisiert ("Eine Horde von Männern meldet sich zu Wort. Untergriffig, polemisch, frauenfeindlich."), unterschlägt sie bewusst, dass sich unter den PosterInnen mindestens ebenso viele finden, die untergriffig, polemisch und männerfeindlich "argumentieren". Willkommen im Kreisverkehr der Argumentation! Denn das könnte man umgekehrt auch den Frauen unterstellen, die sich gegen besseres Wissen oder Wissenkönnen weiter an die 25-Prozent-Lüge klammern und dabei aggressiv und polemisch auftreten.

Eine weitere "Profil"-Journalistin, Elfriede Hammerl, versucht in ihrem Kommentar in der aktuellen Ausgabe, die Ursachen für den verbleibenden Rest an Lohnunterschieden zu eruieren. Tatsächlich dürfte sie mit ihrer Analyse der Wahrheit nahe kommen. Bei der Interpretation der Gründe für die Ursachen scheitert sie allerdings kläglich an der Logik und an der Ökonomie.

So schreibt Hammerl, dass es "Frauenberufe" gibt, also solche, "in denen überwiegend Frauen tätig sind" und die "schlechter entlohnt werden". So weit, so korrekt: Es gibt Berufe, die weniger Geld abwerfen, in diesen finden sich oftmals mehr Frauen als Männer. Doch dann erliegt die Kolumnistin einem Denkfehler. Denn diese sogenannten "Frauenberufe" werden natürlich auch (wenn auch in geringerer Zahl) von Männern gewählt. Bekommen die - bei gleicher Leistung - mehr bezahlt als die Frauen? Das wage ich zu bezweifeln, und selbst Elfriede Hammerl würde das wohl nicht behaupten. Sie fragt vielmehr: "Warum ist technisches Know-how so viel mehr wert als soziale Kompetenz? Warum gibt es für Arbeiten im Freien und bei Kälte mehr Kohle als für Arbeiten in feuchter Hitze und unter chemischen Dämpfen - anders gesagt, warum verdient der Gabelstaplerfahrer (männliche Domäne) mehr als die Arbeiterin in einer chemischen Reinigung (weibliche Domäne)?"

Welcher Job ist wie gut?

Diese Frage ist vielleicht unter einem allgemeinen gesellschaftspolitischen Blickwinkel, nicht aber unter einem geschlechterpolitischen legitim, doch dazu muss sie erst umformuliert werden: Warum verdienen Bauarbeiterinnen und Bauarbeiter mehr als chemische Reinigerinnen und Reiniger oder Altenpflegerinnen und Altenpfleger?

Das ist keine Frage von Diskriminierung der Frauen durch die Männer, sondern eine des freien Marktes und der Präferenzen jener Männer und Frauen, die auf ihm einkaufen. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, hat sich das noch nicht bis zu Frau Hammerl herumgesprochen? Will sie die dadurch entstehende "Diskriminierung" per Gesetz bekämpfen? Möchte sie selbst dazu verpflichtet werden, ihr Honorar als Star-Kolumnistin des "Profil" auf jenes der Star-Kolumnistin des "Gailtaler Furchenboten" abzusenken? Möchte sie genauso wenig verdienen wie jene oben genannten chemischen ReinigerInnen und BauarbeiterInnen, die sich den Arsch abschwitzen oder -frieren, während Frau Hammerl gemütlich hinter ihrem Computer sitzt und ihre Kolumnen tippt? Wer bestimmt, welcher Job wie gut (oder schlecht) bezahlt wird? Ein Männer-Geheimbund, der sich die systematische Diskriminierung von Frauen vorgenommen hat, Frau Hammerl oder der freie Markt?

Natürlich könnte man - als reines Gedankenexperiment -, um jeden Verdacht sexistischer Lohnpolitik auszuräumen, per Gesetz für alle Kollektivverträge dasselbe Einkommen vorschreiben. Um schließlich unverbesserlichen VerschwörerInnen unter den Personalchefinnen und -chefs den letzten Rest an mutmaßlicher Lohndiskriminierung auszutreiben, könnte man sie dazu zwingen, bei Gehaltsverhandlungen oberhalb des kollektivvertraglich garantierten Mindestlohnes das beste Verhandlungsergebnis einer Mitarbeiterin/eines Mitarbeiters auf alle MitarbeiterInnen auszuweiten.

Dann verdienen Faulpelze beiderlei Geschlechts gleich viel wie ihre fleißigen KollegInnen. Kann irgendjemand, egal ob Mann oder Frau, diese Form der "Gerechtigkeit durch Gleichheit" im kommunistischen Stil jener der "freien Marktwirtschaft" mit der Möglichkeit, durch Mehrleistung und besseres Verhandeln mehr zu verdienen als die KollegInnen im gleichen Job, ernsthaft vorziehen wollen?

PS: Liebe Frauen, wenn ihr glaubt, es gebe eine männliche Verschwörung, müsst ihr euch eine Frage gefallen lassen. Seit anno dazumal leistet ihr den Löwenanteil an Kindererziehungsarbeit. Ein Umstand, den ihr - aus meiner Sicht zu Recht! - kritisiert. Doch wenn es die Verschwörung der Männer gegen die Frauen tatsächlich gibt: Was habt ihr falsch gemacht und macht ihr immer noch falsch bei der Erziehung eurer Töchter und Söhne? (Georg Schildhammer, DER STANDARD, 12.4.2012)