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Max Goldt bedauert Schauspieler, die Hörbücher im Akkord einlesen müssen: "Wenn sie kollabieren, werden sie gefeuert."

Foto: APA/dpa/Rainer Jensen

STANDARD: Herr Goldt, wie haben Sie die Osterfeiertage verbracht?

Max Goldt: Ich habe nichts getan, was ich nicht an anderen Tagen auch getan hätte.

STANDARD: Was bedeutet Ihnen Ostern?

Goldt: Nichts. Ich bin vollkommen unreligiös, aber nicht doktrinär unreligiös. Mir gefällt jedoch die Idee der dem Osterfest vorangehenden Fastenzeit. Als extrem peinlich empfand ich die Demonstration der hessischen Piraten-Partei gegen das Verbot öffentlicher Tanzveranstaltungen an Karfreitag. Können diese Popkultur-Opfer denn nicht mal einen einzigen Tag im Jahr privat und zu Hause tanzen?

STANDARD: Wo wir schon bei der Politik sind - in den USA gab es kürzlich eine Debatte darüber, ob der Präsidentschaftsaspirant Mitt Romney richtig daran tat, im Jahr 1983 seinen Hund Seamus auf einem Autodach zu transportieren? Wie stehen Sie dazu?

Goldt: Ich habe selten intensive Meinungen über amerikanische Politiker. Mir ist bei meinem letzten USA-Aufenthalt allerdings aufgefallen, dass viele ländliche Amerikaner ihre Hunde auf der Ladefläche ihres Kleinlasters spazieren zu fahren scheinen. Den Hunden scheint das zu gefallen, was allerdings auch an der nachahmenswerten Höchstgeschwindigkeit von 88 km/h liegen mag.

STANDARD: Ich komme auf die Frage nach Romney, da es von Ihnen einen Text gibt, in dem "zweisprachig erzogene Bisexuelle mit Fahrrädern auf dem Autodach" vorkommen. Sie achten also darauf, was da oben mitgeführt wird. Steckt hinter solchen Gruppendefinitionen eine Gesellschaftstheorie, etwa eine besonders liberale?

Goldt: Ich bin kein Anhänger von Gesellschaftstheorien. Mit " zweisprachigen erzogenen Bisexuellen mit Fahrrädern auf dem Autodach" sind Leute gemeint, die sich immer ein zweites Türchen aufhalten. Opportunisten. Im Übrigen besteht kein Anlass für Europäer, sich für den amerikanischen Wahlkampf zu interessieren. Dass hierzulande so exzessiv darüber berichtet wird, liegt nur daran, dass das Material darüber leicht verfügbar und versendbar ist.

STANDARD: Ein neues Hörbuch trägt den Titel "Max Goldt für alle, die Max Goldt noch nicht kennen". Welchen Max Goldt enthält es?

Goldt: Denjenigen, der in den letzten Jahren versucht hat, der Literatur, die schon lange im Roman erstarrt ist, ein bisschen frisches Blut unterzujubeln.

STANDARD: Ist es tatsächlich so, dass die Literatur im Roman erstarrt ist? Könnte man nicht auch den Eindruck haben, dass der (deutschsprachige) Roman im Feuilleton beziehungsweise in der jeweiligen These erstarrt ist?

Goldt: Ach, an Diskussionen über den Stand der Literatur will ich mich nicht beteiligen, dazu stehe ich zu weit außerhalb. Ich habe einfach zu wenig Ahnung davon und zu wenig Interesse daran. Doch mir scheint, es werden bloß immer nur Romane veröffentlicht, selbst von ganz jungen Debütanten, weil andere Gattungen kaum Berücksichtigung bei den Rezensenten finden, vielleicht wegen mangelnder Nacherzählbarkeit, und Kritiken bestehen ja heutzutage überwiegend aus Inhaltsangaben.

STANDARD: Hat sich durch das Hörbuch etwas am Genre der Lesung geändert?

Goldt: Nicht dass ich wüsste. Geändert hat sich, dass heute Krethi und Plethi Lesungen machen. TV-Comedy-Leute, selbst Redakteure von Fußball-Fanzines gehen auf Lesetournee. Selbst des Deutschen unkundige ausländische Autoren einfachster Konsumliteratur gehen in Deutschland auf Lesereise, begleitet von einem TV-bekannten Schauspieler.

STANDARD: Gibt es Analogien zu Studio- und Live-Alben, wie Bands sie traditionell einzuspielen pflegten?

Goldt: Ich verwende für Hörbücher regelmäßig Live-Mitschnitte, kombiniere sie jedoch zum Wechsel der klanglichen Stimmung gern mit Studioaufnahmen. Mir fällt aber keiner ein, der das auch so macht. Es werden im Hörbuchbereich kaum Live-Aufnahmen veröffentlicht, da sie viel Arbeit bei Schnitt und Postproduktion machen. Viel Geschnippel und Geschiebe! Die Verlage setzen lieber einen Schauspieler ins Studio, der muss 100 Buchseiten en bloc lesen, und wenn er dabei kollabiert, wird er gefeuert. Die Schauspieler, die im Akkord diesen unentwegt auf den Markt gekotzten Krimi- und Mystery-Schund einlesen, können einem echt leidtun. Für den Mist werden die besten Leute verschlissen.

STANDARD: Was dürfen wir vom neuen Buch von Katz und Goldt erwarten?

Goldt: Bereichernde Lektürestunden natürlich.

STANDARD: Können Sie insbesondere schon etwas über die Antworten andeuten, die laut Verlagsankündigung dort Helmut Schmidt hinsichtlich seines hohen Alters und des Zigarettenkonsums gibt?

Goldt: Diese Frage ist vermutlich eine Anspielung auf einen Katz-und-Goldt-Spaß, der mir aber leider momentan nicht präsent ist. Aber wissen Sie, was neulich geschah? Helmut Schmidt saß rauchend im Speisewagen des ICE. Da beklagte sich ein Mitreisender beim Kellner: " Könnten Sie dem Herrn Altkanzler bitte ausrichten, dass das Rauchverbot auch für ihn gilt?" Der Kellner erwiderte: "Ich bin doch nicht seine Mutter!" (Bert Rebhandl, DER STANDARD, 10.4.2012)