Denn es gibt wunderbar unterschiedliche Gräser, die erst einmal im Beet geschlichtet werden wollen.

Foto: derStandard.at

Wie in fast allen Bereichen des Lebens gibt es auch im Garten Modeströmungen. So schwillt bereits seit ein paar Jahren das Bedürfnis nach Gräsern an. Gräser, die keine bunten Blüten tragen, Gräser, die bescheiden gefärbt sind und nirgendwo hinaufklettern. Wahrscheinlich haben viele Gärtnerinnen einfach genug von der Opulenz bunter Hochleistungsgärten. Möglicherweise kommt nach der Phase des intensiven Hochrüstens nun ein deeskalierendes Cooldown, ein Rückbesinnen auf Essenzielles.

Nicht dass man deswegen seine Rosen, Hibiskussi und Rittersporne deswegen entsorgte, nein. Aber sie treten in der Gunst des Gärtners ein wenig zurück, werden weiterhin gepflegt, jedoch viel seltener bewundert. Denn dieses Jahr steht die Gärtnerin still vor ihren Gräsern. Dieses Jahr richtet sich der Gärtner seinen Liegestuhl zum Gräserbeet, um dort die Zeitung zu lesen und gelegentlich den Blick über die Halme streifen zu lassen. Und selbst das Einschlummern wird bevorzugt vom Rascheln des Halmhains begleitet. Ein Gräserbeet sorgt für Ruhe im Garten. Die beschwichtigende Wirkung geht von der Reduktion der Reize aus.

Nicht bunte Kontraste, sondern gleichfärbige Nuancierungen legen sich wie heilende Umschläge um das Gemüt. Die Sorge um Blütenpracht entfällt, geschnitten muss auch nicht werden, und das Gießen kann man der Natur überlassen. Gräser sind nicht einmal dankbar wie die meisten anderen Pflanzenproleten. Sie sind einfach da und fordern nichts. Und trotzdem kann der Gärtner gestaltend tätig sein, der Urantrieb jedes gärtnerischen Wirkens. 

Knöchelhoch bis übermannsgroß

Denn es gibt wunderbar unterschiedliche Gräser, die erst einmal im Beet geschlichtet werden wollen. Von knöchelhoch bis übermannsgroß ist das Sortiment, und man kann ansteigende Rabatten, wogende Felder oder planare Ebenen gestalten. Die Gattung der zu den süßgrasartigen Sauergrasgewächsen gehörenden Seggen liebt es als Gewässerrandpflanze feucht, hält aber Trockenheit auch ganz gut aus.

Die Segge Carex hachijoensis gibt es als "Evergold" und "Everest" und besticht durch Niedrigkeit, Wintergrüne und nestartigem Wuchs. Unverwüstlich, dreißig Zentimeter hoch und mit schönen Grün-Gold-Gelb-Kontrasten kann sie Ziergräserbeete quasi ankündigen und rahmen. Dahinter macht sich zum Beispiele die Segge Carex petriei "Bronze Form" sehr schön, welche gerade im Winter mit ihren bronzefarbenen Halmen im Schnee entzückende Wirkung erzielen kann - im Sommer natürlich auch. Es gibt aber nicht nur Seggen, auch Schwingel wollen Einlass im Ziergrasbeet finden. Der zu den süßgrasartigen Süßgräsern gehörende Atlas-Schwingel Festuca marei ist ein mittelhohes Ziergras und braucht ein bisserl einen Platz, verwöhnt aber mit winterfestem Wuchs und im Sommer mit glänzender Silbrigkeit im gleißenden Sonnenlicht. 

Erholung durch Tiefenentspannung

Aber auch die Hirsen steuern Schönheiten bei. Das wohlbekannte Pennisetum alopecuroides wird locker hüfthoch, steht tiefgrün im Mittelgrund und besticht optisch mit seinen Blütenständen, den namensgebenden Lampenputzern, die sich verspielt im Wind neigen und aufrichten. Das Federborstengras Pennisetum villosum ist sogar noch filigraner und wolkiger - sollen sie einander im Beet abwechseln. Im Hintergrund, oder als leicht dezentrale Spitze, zeigt das Chinaschilf Miscanthus sein Können: Höhe, Festigkeit und gar witzige Blütenrispen. Miscanthus wächst schnell, dicht und wird gerne als Heckenpflanze verkauft. Soll sein, schöner ist er als Solitär, der die Möglichkeit hat, auf Wind mit zarter Neigung und verzauberndem Rascheln zu reagieren.

Aber Gräser wirken nicht nur im Gräserbeet, sie sind auch perfekte Auflockerer allzu bunt geratener Rabatten. Das Federgras Stipa schwebt förmlich zwischen Rudbeckien, Lavenders und in Kombination mit rosa Gauras hat man das Gefühl, ein Schmetterlingsschwarm wäre im Garten unterwegs. Daher die finale Empfehlung an alle verkrampften, unlockeren Turbogärtner: Ein wenig Gras sorgt für Erholung durch Tiefenentspannung, nur anbauen muss man es schon selber. (Gregor Fauma, Rondo, DER STANDARD, 06.04.2012)