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Unterschiedliche Schutzanzüge im AKW Zwentendorf.

Foto: APA/Helmut Fohringer

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In Zwentendorf werden heute AKW-Techniker ausgebildet.

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Reaktorbehälter: Der Sicherheitsbehälter hat einen Durchmesser von 26 Metern und eine Höhe von 36 Metern.

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Blick im Steuerraum für die Brennstäbe zur Decke mit den leeren Steuerbehältern für die Brennstäbe.

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"Bitte bringen Sie zum Lehrgang folgende Schutzausrüstung mit: Sicherheitsschuhe, Arbeitsoverall, Schutzhelm, Atemschutzmaske mit P3-Filter und Vollschutzanzug." Der Lehrgang der Kraftwerksschule Essen, für den diese Ausrüstung gefordert ist, findet in einem Atomkraftwerk mit Siedewasserreaktor (SWR) statt. Die Gefahr des Verstrahltwerdens ist trotzdem nicht gegeben. Ort der Übung ist nämlich das "Gemeinschaftskernkraftwerk Tullnerfeld": Zwentendorf.

Im dem nie in Betrieb gegangenen österreichischen Atomkraftwerk gibt es seit dem Jahr 2005 einen durchgehenden Schulungsbetrieb. Stefan Zach, Leiter der Kommunikationsabteilung des Zwentendorf-Eigentümers EVN, erklärt, dass hier nicht nur AKW-Techniker Sicherheitsschulungen absolvieren, auch Unternehmen, die Anlangenteile herstellen, schicken ihre Leute her, um Wartungsarbeiten zu üben. Die EVN sieht die Schulungen auch als Beitrag zur Reaktorsicherheit von AKWs in Europa und Asien.

Anhand des 1:1-Modells können Techniker mit eigenen Augen und Händen Orte und Anlagen im Reaktor erkunden, die sie bei ihren in Betrieb befindlichen Kraftwerken nie zu Geschicht bekommen würden, weil sie zu heiß und zu verstrahlt sind. Arbeiten in diesen Bereichen werden üblicherweise mit Robotern durchgeführt. "Die Lehrgangsteilnehmer werden befähigt, die Arbeitsabläufe im Steuerstabantriebsraum unter Dosisbelastung und die Voraussetzungen im Arbeitsumfeld zu verstehen und im Team diese Arbeiten selbstständig durchzuführen", heißt es etwa bei einem Kurs zum Aus- und Einbau von SWR-Steuerstabantrieben. "De- und Remontage von Steuerstabstellantrieben, Aus- und Einbau von Steuerstabantrieben und Funktionsprüfungen während des Austausches" werden dabei im unverstrahlten Reaktor von Zwentendorf durchgeführt.

Erprobung neuer Werkzeuge und Werkstoffe

"Es können sämtliche Teile, etwa Brennelemente oder Antriebsmotoren, demontiert werden", so Zach. Eigene Turbinenschulungen werden angeboten, die sich auch an das Personal konventioneller Kraftwerke richten. "Die Turbinen können geöffnet, demontiert und wieder zusammengebaut werden." Auch neue Werkzeuge werden erprobt. Oder neue Werkstoffe wie ein Dichtanstrich für Teile in der Kondensationskammer, die unter Wasser liegen. Die Schulungsangebote würden sehr gut angenommen. Die Kondensationskammer eines SWR wäre normalerweise nur mit Taucheranzug oder Schlauchboot zugänglich. Wenn es im Reaktor zu Überdruck kommt, wird der Dampf in die Kondensationskammer geleitet. 

Geübt wird etwa auch das Einführen der Brennelemente: "Die Steuerantriebstäbe werden von unten in den Reaktor eingeführt, und von oben kommen die Brennelemente in den Reaktor hinein. Dann werden sie mechanisch miteinander verbunden", so Zach. Es können Arbeiten am oberen und am unteren Kerngitter durchgeführt werden. Der Reaktor ist komplett begehbar. Im Betrieb hätte es im Reaktorschacht eine Hitze von bis zu 4.000 Grad, große Pumpen hätten pro Sekunde 30.000 Liter Wasser durch die Anlage geleitet. 

Ausbildung indischer Studenten

Seit 2011 führt auch ein indisches Schulungsunternehmen gemeinsam mit der Kraftwerksschule Trainings für Techniker aus dem asiatischen Raum durch. In erster Linie seien bisher Studenten für AKW-Jobs ausgebildet worden. Die AKW-Schüler sind ein bis zwei Wochen im Land. Auch die Nähe Zwentendorfs zur Stadt Wien ist ein Vorteil, die Aufenthalte werden mit touristischem Programm ergänzt.

Im Februar und März ruht der Schulungsbetrieb "aus klimatischen Gründen": weil es im Reaktor zu kalt ist. Die Anlage wird nicht beheizt, und wenn der Winter endet, rinnt das Kondenswasser die Wände herunter. Vor 2005 diente Zwentendorf jahrzehntelang als Ersatzteillager für deutsche AKWs, nach wie vor gibt es dort fünf Kraftwerke vom selben Typ. Nach der Katastrophe von Fukushima wurden sie zum Teil abgeschaltet. Für die Kraftwerkstrainings hat man dann die verscherbelten Anlagenteile wieder zurückgekauft, um die Schulungen so real wie möglich gestalten zu können. Bei der Leittechnik gebe es allerdings keine Schulungen mehr, so Zach. Die ist noch original und somit 34 Jahre alt. In ähnlich alten AKWs, die in Betrieb sind, wurde sie schon mehrmals komplett erneuert. Die Schalttafel in Zwentendorf ist ein Museumsstück. 

Nach Fukushima kamen japanische Parlamentarier

Nach der Katastrophe von Fukushima bekam Zwentendorf ungewohnt viel Aufmersamkeit. Wie das österreichische AKW war Fukushima ein Siedewasserreaktor aus den 70er Jahren, auch wenn sich die Technik im Detail unterscheidet. Innerhalb von zehn Tagen seien über 90 TV-Teams hier gewesen, erinnert sich Zach, vorwiegend aus Ländern, die viele AKWs betreiben. Und: "Wir haben auch mehrmals große Delegationen japanischer Parlamentarier durch Zwentendorf geführt." Außerdem kommen regelmäßig Vertreter von NGOs, von der Atomenergiebehörde und Zeitzeugen der Anti-AKW-Bewegung vorbei. Von der japanischen Betreiberfirma Tepco habe sich aber niemand gemeldet. Die wöchentlichen Gratis-Führungen sind quasi im Moment des Angebots wieder ausgebucht. Vergangenes Jahr gab es einige zusätzliche Tage der offenen Tür, um den Rückstau an Anmeldungen abzuarbeiten. Insgesamt sahen 2011 um die 12.000 Menschen die Anlage.

Der Trainingsbetrieb sorgt dafür, dass in Zwentendorf wieder schwarze Zahlen geschrieben werden. "Es ist nicht viel Geld, aber die Fixkosten werden abgedeckt", sagt Zach. Allein die Stromkosten verursachen schon 6.000 Euro pro Monat. Ein Teil des Stroms kommt von der Fotovoltaikanlage am Dach. Mittlerweile hat die Anlage in Zwentendorf auch kirchlichen Segen. Eine der ersten größeren Besuchergruppen im AKW kam vom Zisterzienserorden Heiligenkreuz. 80 Mönche staunten über den Ort irdischer Energiegewinnung. Der damalige Abt hat die Anlage, die nicht ihrer Bestimmung zugeführt wurde, gesegnet. (Alois Pumhösel, derStandard.at, 10.4.2012)