Der Regenbogen.

Foto: gayday

"Die islamische Sicht der Homosexualität", prangt seit dem 4. April in großen Lettern auf der Seite von Gayday. Ein Klick führt zu einer Seite mit unzähligen schwulenfeindlichen Koranzitaten. Die Homosexualität sei ein "Test für die Menschen" sowie "Blindheit" oder andere schwere Gebrechen. "Andere kommen arm zur Welt, klein, groß, schwach, ihnen fehlen Finger, sie haben eine große Nase ... aber von allen wird erwartet, dass sie Gottes Gesetz befolgen", schlussfolgern die Hacker. Sittenwidriges Verhalten habe "zum Untergang ganzer Städte" geführt, warnen sie.

Vorläufiger Höhepunkt

Die Cyberattacke ist der vorläufige Höhepunkt einer ganzen Reihe von Angriffen gegen das mutige Projekt, das im März 2011, zwei Monate nach der tunesischen Revolution, entstand. Die Web erhält Drohmails und wird auf Facebook beschimpft. Im Februar giftete Tunesiens Minister für Menschenrechte Samir Dilou im Fernsehen gegen Gayday. "Die Meinungsfreiheit hat ihre Grenzen", erklärte Dilou, der auch das Amt des Regierungssprechers inne hat. "Es gilt die roten Linien die von unserer Tradition und Religion festgelegt worden sind, zu respektieren", fügte der Anwalt hinzu. Dilou gilt als einer der Aufsteiger innerhalb der islamistischen Partei Ennahda.

Das Gayday Magazin denunziert auf Englisch, Französisch und Arabisch homophobe Übergriffe, bringt Nachrichten aus aller Welt, berichtet über Kultur, mischt sich in internationale Kampagnen ein und bietet in einem Forum Gelegenheit zum anonymen Austausch. Es sind alles ehrenamtliche Journalisten, die die Web am Laufen halten. "Wir treten für die Abschaffung der Gesetzgebung ein die Homosexualität kriminalisiert und fordern stattdessen Gesetze, die homophobe Diskriminierung unter Strafe stellt", erklärt der Chefredakteur, der nur online Rede und Antwort steht und immer unter einem Pseudonym auftritt.

Er weiß warum. Der Artikel 230 des Strafgesetzbuches ahndet Homosexualität mit bis zu drei Jahren Haft. "Sie wollen, dass die Forderungen der Homosexuellen nicht auf die Tagesordnung der Revolution kommen", sagt der Gayday-Chef. "Aber wir wollen erreichen, dass wir im neuen Tunesien einen Platz haben."

"Es ist ein Kampf von David gegen Goliath", erklärt der Chefredakteur von Gayday. Doch das Engagement zeigt erste Erfolge. Mittlerweile gibt es auch ein LTGB-online-Radio mit dem Namen Tunisia Gays'. Nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen setzen sich für die Rechte der LTGB-Gemeinschaft ein. Das macht Hoffnung: "Ein Magazin, ein Radio und wann eine Gay-Pride-Parade", fragt ein Leser. (Reiner Wandler, derStandard.at, 4.4.2012)