Nachdem die Piratenpartei in Deutschland den Einzug in den saarländischen Landtag geschafft hat - im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt sie bereits seit Herbst 2011 -, richtet sich nun auch in Österreich die Aufmerksamkeit auf die junge Partei. Wer steckt also hinter den Piraten? derStandard.at hat sich mit den Menschen unterhalten, die in den nächsten Monaten die österreichische Politik aufmischen wollen.

Rodrigo Jorquera, 32, ist Bundesvorstand der Piratenpartei und arbeitet als selbstständiger IT-Manager in Wien. "Ungerechtigkeit" habe er noch nie ertragen können. "Von den Bürgern wird verlangt, dass sie immer transparenter werden. Während sich die Parteien immer mehr verschließen und Entscheidungen im Hinterzimmer treffen", sagt Jorquera. "Jedes Mal, wenn in Politiksendungen Unwahrheiten gesagt wurden, habe ich mich irrsinnig aufgeregt." Bis dann seine Freundin meinte, er solle nicht nur schimpfen, sondern sich selbst engagieren. Jorquera, dessen Vater aus Pinochets Chile nach Österreich geflüchtet ist, will vor allem erreichen, dass Leute mit unterschiedlichen Interessen in der Piratenpartei Gehör finden.

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Patryk Kopaczynski, 27, ist Mitglied des Bundesvorstandes und unterrichtet in Wien Deutsch als Fremdsprache. Die Diskussion mit einem Freund über geplante Überwachungsmaßnahmen der EU war für Kopaczynski vor zwei Jahren der Auslöser, bei den Piraten aktiv zu werden. Neben der gefährdeten Privatsphäre beschäftigt er sich mit dem Urheberrecht. Ob Lehrunterlagen urheberrechtlich geschützt sind oder nicht, habe große Auswirkung auf die Bildung, sagt Kopaczynski. "Die Piraten müssen sich für die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung starkmachen und die Leute aufklären." Kopaczynskis Eltern sind Ende der 70er Jahre aus Polen nach Österreich gekommen, er selbst ist in Wien geboren. "Ich bin damit aufgewachsen, dass Privatsphäre und Datenschutz wichtige Menschenrechte sind. Doch durch die aktuellen Überwachungsmaßnahmen werden Erinnerungen an totalitäre Systeme wach."

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Gertrude Hamader, 33, studiert Gesundheitswissenschaften in Wien und unterrichtet Medizinpädagogik. Sie ist derzeit die einzige weibliche Funktionärin. Die gebürtige Oberösterreicherin ist Mitglied des erweiterten Bundesvorstandes der Piraten. Hamader erzählt, dass sie auf die Partei aufmerksam wurde, als sie im Vorjahr den Sprung in den Berliner Landtag schaffte. "Es braucht auch bei uns etwas Junges, Frisches, Unkonventionelles", sagt sie. Die Themen der Piraten seien bis jetzt für viele Frauen einfach nicht ansprechend gewesen. "Aber wenn man ein festgefahrenes Image hat, muss man dagegen ankämpfen." Sie will erreichen, dass sich der Themenkatalog der Piraten um gesellschaftspolitische Forderungen erweitert. "Ein sehr wichtiges Anliegen - neben einem freien Bildungszugang - ist mir, dass die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen geschlossen wird."

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Stephan Raab, 57, ist Bundesvorstand der österreichischen Piraten und selbstständiger IT-Consulter. Er kommt ursprünglich aus Deutschland und lebt seit zehn Jahren in Österreich. "Die Vorratsdatenspeicherung und die Einschränkung der Privatsphäre haben mir schon sehr zu denken gegeben. Ich wollte selbst etwas verändern", sagt Raab über die Beweggründe, die ihn dazu brachten, sich den Piraten anzuschließen. Bei der Generalversammlung ist er schließlich in den Vorstand gewählt worden. "Die anderen Parteien haben unbegrenzte Gelder, PR-Berater und Anwälte. Die Piraten sind im Grunde ein Haufen Amateure. Aber ich trete nicht an, um zu verlieren. Ich sehe eine realistische Chance, dass wir in den Nationalrat einziehen." Bis zur Wahl 2013 will er helfen, die Partei technisch und organisatorisch fit zu machen. "Entscheidend wird sein, wie wir unsere Anliegen vermitteln, zum Beispiel was die Datenspeicherung für den einzelnen Bürger bedeutet."

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Jonas Reindl, 18, ist Schüler, kommt aus Zell am See und ist ebenfalls Mitglied des Bundesvorstandes. Er schätzt an den Piraten, dass sie auf junge Menschen eingehen und neue Medien in ihrer Arbeit einsetzen. Von der Bundesgeneralversammlung am Sonntag im Wiener Kulturzentrum "Werk" in Ottakring war er aufgrund des Andrangs positiv überrascht, "bei der letzten Versammlung haben nur 22 Mitglieder teilgenommen". Diesmal waren rund 100 Interessierte dabei, 51 davon waren stimmberechtigt. Derzeit arbeitet Reindl daran, dass "bis Sommer die Landespartei in Salzburg wieder auflebt". Der Salzburger sagt: "Wichtig ist mir, dass die Leute mehr Einfluss auf die Politik nehmen können, als nur alle fünf Jahre zur Wahl zu gehen." Für den Fall, dass die Partei nächstes Jahr in den Nationalrat einzieht, will Reindl, dass die Piraten ein Sprachrohr der Bürger sind.

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Christoph Trunk, 34, Landesvorstand in Wien und Bundesmediensprecher der Piraten, arbeitet als Projektmanager der Österreichischen Wasserstraßengesellschaft. "Ich war früher eher unpolitisch", sagt Trunk, "weil ich mit der Parteipolitik nach dem Motto 'Hände falten, Goschen halten' nichts anfangen konnte." Die Piraten dagegen seien sehr zwanglos und frei organisiert: "Das Programm bestimmt nicht der Vorstand, sondern die Basis." Trunk will mit seinen Mitstreitern gegen die Partei- und Politikerverdrossenheit ankämpfen. "Jeder, der will, kann sich einbringen. Das geht in keiner anderen Partei", sagt Trunk. Sein Ziel ist, dass die Piraten 2013 in den Nationalrat einziehen. "Wer Lust hat, kann sich für die Wahlliste aufstellen lassen. Die Zustimmung entscheidet dann über den Listenplatz." Es soll aber keine einzelne Person im Rampenlicht stehen: "Wir wollen uns auf Themen und Diskussionen konzentrieren und uns nicht reduzieren auf ein lachendes Gesicht, das sich gut in NLP auskennt." (Stefan Hayden, derStandard.at, 4.4.2012)

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