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Auf der Insel Sumatra dürften nach neuesten Schätzungen noch 500 bis 700 Exemplare von Panthera tigris sumatrae leben, die als eigenständige Unterart gilt.

Foto: AP/Michael Probst

Dabei zeigte sich, dass die Populationen der scheuen Großkatze stabiler sind, als Biologen bisher annahmen.

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Es war ein gewaltiger Aufwand. Die Forscher und ihre Helfer suchten insgesamt mehr als 13.500 Kilometer Strecke ab und durchkämmten so die Tropenwälder in sieben verschiedenen Regionen der indonesischen Insel Sumatra. Immer wieder stießen sie dabei auf beeindruckend große Pfotenabdrücke im oft feuchten Waldboden - Tigerspuren.

Zweieinhalb Jahre dauerte es, bis alle vorgesehen Flächen inspiziert waren. Danach folgte die Auswertung. Acht verschiedene Naturschutz-Organisationen, darunter der WWF und Fauna & Flora International (FFI) sowie das indonesische Ministerium für Forstwirtschaft haben sich am Projekt beteiligt. Noch nie zuvor wurde eine derart präzise Erfassung von Sumatras wildlebender Tigerpopulation durchgeführt.

Überraschende Ergebnisse

Die Suche hat sich gelohnt. In 206 von 394 untersuchten Planquadraten konnten Tigerspuren nachgewiesen werden. Statistisch hochgerechnet bedeutet dies, dass die Raubkatzen noch in etwa 72 Prozent der Waldgebiete vorkommen. "Die Ergebnisse haben uns alle überrascht", erklärt der FFI-Biologe Matthew Linkie gegenüber dem STANDARD.

Der Hintergrund: Bisherige Populationsschätzungen beruhten auf lokal begrenzten Zählungen. Dabei wurden die variierenden Erfassungsraten in unterschiedlichen Landschaftstypen nicht berücksichtigt. In schwer zugänglichem Terrain werden Spuren schneller übersehen, erklärt Linkie. Aber auch solche Lebensräume können Tiger beherbergen.

Linkie und seine Kollegen haben deshalb ein mathematisches Modell mit drei verschiedenen Erweiterungen zur Analyse der gesammelten Daten eingesetzt und konnten so statistisch belastbare Populationsdichten berechnen. Eine detaillierte Beschreibung der Methode wurde Ende 2011 im Online-Fachmagazin PLoS One (Bd. 6, e25931) veröffentlicht.

Pfotenabdrücke sind die einzigen Tigerspuren, die man auf Sumatra mit einer gewissen Zuverlässigkeit finden kann, sagt Matthew Linkie. Kot, welcher in vielen anderen Raubtierstudien wertvolle Hinweise liefert, wird nur selten angetroffen, so der Experte. "Vermutlich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit und der schnellen Verrottung."

Auch Kratzspuren - die Großkatzen verwenden sie zur Markierung ihres Territoriums - wurden nur wenige gefunden. Sumatra-Tiger scheinen diese seltener anzubringen als ihre Artgenossen auf dem asiatischen Festland. "Wer aber ein richtig versierter Biologe ist, kann ihre Urin-Duftmarken aufspüren: Blätter, die süßlich mandelartig riechen."

Sumatra-Tiger werden von den meisten Zoologen als eigenständige Unterart, Panthera tigris sumatrae, betrachtet. Im Vergleich zu den kontinentalen Tieren sind sie etwas kleiner, ihre Streifen schmaler, und sie haben längere Haare am Kopf. Die Insel-Tiger verhalten sich normalerweise sehr scheu. Kein Wunder also, dass sie nur schwer auffindbar sind.

Die Ergebnisse der Tiger-Volkszählung geben Anlass zu vorsichtigem Optimismus. Insgesamt dürften auf Sumatra noch 500 bis 700 Tiger leben, erklärt FFI-Sprecherin Ally Catterick. Das ist mehr als bislang angenommen. Besonders positiv sind die Entwicklungen im Nationalpark Kerinci Seblat-Batang Hari im Südwesten der Insel.

Spezielles Schutzprogramm

Dort hat FFI im Jahr 2000 ein gezieltes Schutzprogramm gestartet. Spezielle Wildhüter wurden ausgebildet, und diese machen nun Tiger-Wilderern zunehmend das Leben schwer. Die Tierschutz-Agenten ermitteln sogar verdeckt. 2009 konnten so ein Wilderer und ein international vernetzter Händler für Tigerprodukte verhaftet werden. Körperteile der Raubkatzen sind in Asien leider noch immer als angebliche Heilmittel gefragt.

Die Gegenmaßnahmen zeigen jedoch Erfolg. "Kerinci Seblat ist eines der ganz wenigen Gebiete weltweit, in denen wir einen Zuwachs der Tigerzahlen beobachten", sagt Catterick.

Der Erfassung nach sind mittlerweile wieder 83 Prozent der Region besiedelt. Relativ gute Ergebnisse wurden auch aus den weitläufigen Wäldern in Sumatras nördlichster Provinz Aceh gemeldet. Dort, im ehemaligen Bürgerkriegsgebiet, liegt die Besiedlungsrate bei 70 Prozent.

Es gibt allerdings eine zunehmende Bedrohung für die Lebensräume der Sumatra-Tiger. Waldrodungen schreiten vielerorts in einem erschreckenden Tempo voran, vor allem in der Riau-Region an der Ostküste. Solche Tiefland-Wälder sind eigentlich ideale Tiger-Habitate, weil sie über ein hohes Angebot an Beutetieren verfügen, erklärt Matthew Linkie. Wenn sie aber zerschnitten und parzelliert werden, verschwinden die Raubkatzen.

Der Waldschutz muss deshalb neben der Bekämpfung der Wilderei höchste Priorität bekommen. "Doch die Tigerpopulationen zeigen sich erstaunlich widerstandsfähig", sagt Linkie. Und das gibt Hoffnung. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 4.4.2012)