"Habt ihr Geld?", fragten die Angeklagten in U-Bahn-Stationen, sagen sie. Allerdings so bedrohlich, dass es Raube waren.

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Wien - Straffällige Jugendliche sind das größte Problem in der Justiz. Besonders Rückfalltäter. Die Haft kann erst recht den Weg in die kriminelle Karriere ebnen. Oder die Chance einer Ausbildung und Separation von schlechtem Umfeld ermöglichen. Am Montag musste sich ein Schöffensenat unter Vorsitz von Daniel Rechenmacher entscheiden.

Vier Burschen und eine Teenagerin, zwischen 17 und 20 Jahre alt, sitzen auf der Anklagebank. Vier davon nicht zum ersten Mal, manche waren im Gefängnis. Staatsanwältin Julia Reiter bietet in ihrem Plädoyer einen kleinen Querschnitt durch das Strafgesetzbuch: Raub, Diebstahl, Körperverletzung, falsche Zeugenaussage. Zum Großteil der Anklagepunkte bekennen sich die jungen Menschen - ein Schüler, ein Lehrling und drei ohne Beschäftigung und Sozialhilfe - schuldig.

"Habt ihr Geld?"

Aber Vorsitzender Rechenmacher hat ein Erkenntnisinteresse. "Wie kommt man dazu, nach einer Haftstrafe wieder mehrere Raubüberfälle zu begehen?", will er vom Erstangeklagten wissen. Exakt waren es vier an drei Tagen im November. " Damit man sich Alkohol und Cannabis kaufen kann", antwortet Sani D. "Wie wäre es mit Arbeit suchen?" "Ich bin Schüler, ich muss die Schule machen" , lautet die Replik des eher leger mit aufgeknöpftem Hemd dasitzenden Teenagers. Und so habe man halt beispielsweise in U-Bahn-Stationen andere Jugendliche "Habt ihr Geld?" gefragt. Mit ziemlichem Nachdruck.

Nico R., der Zweitangeklagte, schildert seinen Alltag und überrascht damit den Vorsitzenden: "Es ist also ganz normal, bis zum Vormittag zu schlafen, dann spazieren und was trinken zu gehen?" Auch Larissa K. kann Rechenmacher bei seiner Suche nach Gründen nicht weiterhelfen. Warum sie hintereinander in drei Geschäften Blazer, T-Shirts und Leggings gestohlen habe? "Ich habe für den Sommer ein paar Sachen gebrauchen können. Aber ich habe mir eh auch welche gekauft."Selbst Zeugen versetzen den Schöffensenat in Erstaunen. Das Opfer einer Körperverletzung kann sich zunächst gar nicht erinnern, was für ein Fall gemeint ist. Als es ihm dämmert, fällt ihm "Ah, die drei Lustigen, die geglaubt haben, sie sind die Oberstarken" ein.

Die Urteile sind recht unterschiedlich: D. und R. (bei ihm nicht rechtskräftig) bekommen je zweieinhalb Jahre unbedingte Haft, plus eineinhalb Jahre, da die Bewährung nach ihren früheren Verurteilungen aufgehoben wurde. Larissa K. erhält acht Monate bedingt, die beiden anderen Angeklagten 20 beziehungsweise drei Monate bedingt. Ob die Entscheidung für die Zukunft der Jugendlichen die richtige war, lässt sich vielleicht nie feststellen. (Michael Möseneder, DER STANDARD, 3.4.2012)