Wie geht es Ihnen, wenn Sie nach einer wenige hundert Meter langen Geraden mit 170 bis 180 km/h auf ein 180 Grad Kehre zufahren, in der Schotter liegt? Und wenn Sie dann keine Bremse am Vorderrad haben? Hirnverbrannt? Irre? Detonationswahrscheinlichkeit weit jenseits der 100 Prozent?

Foto: Martin Sulzbacher

Für Hanson Schruf ist genau die Situation anscheinend das Größte. Der ehemalige Supermoto-Staatsmeister wird heuer als einziger Österreicher in der Flat-Track-WM starten. Flat-Track ist eine der ältesten Motorrad-Sportarten.

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Auf einem Oval - die Länge ist nicht genau definiert - starten pro Rennen bis zu 12 Fahrer, die bis zu 26 Runden um die Wette fahren. Ohne Vorderbremse - auf Schotter oder rutschigem Asphalt. Es ist eine Mischung aus Speedway, Supermoto und Wasweißich.

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Husaberg 570 und ein 20 Jahre altes Fahrwerk

"Mir spukt Flat-Track schon länger im Kopf herum - weil ich auch schon immer Speedway fahren wollte", sagt Hanson Schruf. Er startet auf einer Husaberg 570, die er leicht modifiziert hat.

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"Hinten im Lager habe ich ein 20 Jahre altes Fahrwerk von einer meiner alten Enduros gefunden. Das habe ich eingekürzt und eingebaut. Die Bremse und den Kotflügel vorne weg, dafür eine Tafel für die Startnummer drauf, und fertig war die Maschine."

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Mit dieser Maschine reiste er letztes Jahr zu seinem ersten Flat-Track-Rennen. Am Trainingstag montierte er, als er im Fahrerlager ankam, die Flat-Track-Reifen - "19-Zöller mit wenig Abstand zwischen den Stoppeln" und erkundigte sich danach, wie lange er trainieren könnte.

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Bis dahin hat er noch nie ein Flat-Track-Rennen live gesehen, ist noch keine einzige Runde gefahren - kein Wunder, sein Motorrad war ja erst seit ein paar Minuten fertig. "Ich hatte noch 20 Minuten, um zu trainieren", erzählt er - danach wurde die Strecke gesperrt, um sie für das Rennen am nächsten Tag vorzubereiten.

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"Für mich war klar, entweder ich geb jetzt ordentlich Gas, brettel notfalls in die Planken ein und fahr wieder nach Hause - oder ich nudel da raus und werde mein Leben lang herumgurken."

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Rein halten!

Wer den Hanson kennt, weiß, dass er Gas gegeben hat. "Wenn du vor dem Einlauf - so heißt der Kurveneingang beim Flat-Track - zwei Meter zu spät das Gas zumachst, pickst du in den Planken. Wenn du einen Meter zu früh zumachst, dann fährt die ganze Partie an dir vorbei." Also entschied sich Hanson eher für zu spät.

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"Wenn du merkst, dass du zu schnell bist, musst du rein halten, rein halten, rein halten - sonst gehört die Bretterwand dir. Da rutscht du über beide Räder in die Kurve - und in dem Moment, wo die Geschwindigkeit passt, reißt du das Gas auf, und driftest aus der Kurve."

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Jan Willem Jansen ist einer der ganz Großen beim Flat-Track. Er sah die ersten Runden von Hanson Schruf, kannte aber den Fahrer nicht. Also ging er im Fahrerlager zu dem Bus, den er nicht kannte. Dort lehnte Hansons Freundin Ulli. "Wer ist der, und wo ist er zuvor gefahren?", fragt er sie ohne Umschweife. Ulli erklärt dem Flat-Track-Meister, dass der Hanson noch nie gefahren ist, gerade erst seine Reifen montiert hat und seine ersten Runden rollt. Jan Willem Jansen wollte das erst nicht glauben, war aber soundso von den Socken.

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Das war dann sein Problem ...

Als Hanson nach seinen ersten Flat-Track-Runden ins Fahrerlager kommt, steht also Jan Willem Jansen da und spricht ihn an. "Er hat mir ein paar gute Tipps gegeben. Ich müsse das Gas ruhiger wegnehmen, beim Rausfahren mit Gefühl aus dem Keller raus fahren, damit der Drift kontrollierter wird."

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Tags darauf hat Hanson die Tipps sofort umgesetzt. "Das war dann auch sein Problem am nächsten Tag", erinnert sich Hanson Schruf, "weil da hab ich ihm schön was aufgebrennt." Bei seinem ersten Flat-Track-Rennen hat er gleich zwei Läufe gewonnen, wurde zweimal Zweiter und nahm am Abend Silber mit nach Niederösterreich.

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Wenige Tage später fuhr Hanson Schruf sein zweites Flat-Track-Rennen. Diesmal in Prag - und nicht auf Schotter wie beim ersten Mal, sondern auf Asphalt.

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Kurzum, er hat das gesamte Feld dominiert und gleich das komplette Rennen gewonnen. "Mir taugt das, dass es beim Flat-Track keine Bremse gibt - die hintere ist eh wertlos", sagt Hanson Schruf, "Nur warum es keinen Kotflügel gibt, das habe ich noch nicht herausgefunden."

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"Flat-Track ist auch für die Zuschauer spannender als Speedway, weil mehr Starter gleichzeitig auf der Strecke sind und mehrere Runden pro Lauf gefahren werden", verspricht Hanson Schruf, der die WM-Läufe im Ausland alle bestreiten wird.

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In Österreich ist im Sommer ein Lauf in Heidenreichstein im Waldviertel geplant - im WM-Kalender steht der zwar nicht drinnen, aber in dem vom Hanson.

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Informationen: www.hanson112.com

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