Opfer mit Puppe: Peter Uray in "Der junge Hitler".

Foto: Patrick C. Klopf

Villach - "Der junge Hitler" von Franzobel ist der Versuch einer Therapie. So steht es im Titel des Auftragswerkes, das die neuebuehnevillach am Samstag uraufgeführt hat. Diese Therapie allerdings bleibt in der Symptomanalyse stecken. Vordergründig spielt sich alles im Zimmer einer psychiatrischen Anstalt ab: Da sitzen der Verstand (Isabella Wolf), das Opfer (und auch Gewissen: Manfred Schmid) und die Schuld (Sohn eines Nazi-Täters: Peter Uray) ein und werden von Zivildienern gebadet, nein, abgekärchert.

Die Analytikerin sieht Hitlers Werden sowohl rückwärts- als auch vorausblickend: Sie bringt die drei jungen Leute dazu, die Entwicklung Hitlers, seines Freundes August Kubizek und seiner angebeteten Stefanie Isak zu spielen, um Geschichte zu verhindern, Hitler zu beseitigen. Doch der Versuch scheitert - jeder will auch einmal Hitler sein, jeder will sein Elitedenken zur Macht über andere werden lassen.

Es ehrt Franzobel, das brisante Thema ins Theater zu holen. Doch die Umsetzung gelingt nicht. Die Möglichkeit, Ebenen zu wechseln, flackert in Stück und Inszenierung (Manfred Lukas-Luderer) zwar auf, doch nicht nachhaltig genug: Dazu ist das Springen in andere Charaktere (Ärzte, die angeblich dieses Experiment leiten und dann als gescheitert abbrechen, aber auch Figuren wie Mitläufer und Befehlsempfänger) zu milde ausgekostet und das Gesamttempo zu gering. Grandios aber Manfred Schmid als Schlomo, als Opfer, als Häufchen Elend in der Ecke. Ihn nennt man im Hitler-Zimmer, wegen der Gewissensfunktion, den lieben Gott. Der dann einen Anfall hat. Und im Sterben verkündet, der Sohn Hitlers gewesen zu sein. Peter Uray ist ein überzeugender Schulderbe, kämpft aber am Premierenabend noch merkbar mit dem Text. Isabella Wolf als kühler Verstand zeigt den Irrsinn des Zuspätkommens von Analyse.

Die jungen Schauspieler (Konstantin N. Gerlach, Stefan Gorski und Anna Rieser) wachsen im Laufe des Abends, verlieren aber auch durch Regieklischees. Franzobel kündigt eine Therapie an, die sich nicht manifestiert. Manifest bleiben Textüberlängen, besonders im ersten Teil des Stückes, das, ungestrafft, langatmig bleibt. (Maja Schlatte/DER STANDARD, 2.4. 2012)