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Häftlinge von Honduras' größtem Gefängnis in San Pedro Sula versuchten den Brand zu löschen, der bei einem Bandenkrieg am 29. März ausbrach. Mindestens 14 Menschen kamen an diesem Tag ums Leben.

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Puebla / San Pedro Sula - San Pedro Sula in Honduras ist laut Uno die Stadt mit der weltweit höchsten Mordrate. In der Industriestadt befindet sich auch das größte Gefängnis des Landes, wo vergangene Woche 14 Insassen durch einen Brand ums Leben kamen. Zwei verfeindete Banden hatten eine Auseinandersetzung um die Vorherrschaft in der Anstalt begonnen; dabei wurde auch ein Gefangener geköpft. Erst im Jänner waren in der Rehabilitierungsanstalt von Comayagua 361 Menschen bei einem Brand ums Leben gekommen. Die Anstalt galt als Vorzeigegefängnis in Honduras.

Mörder und Taschendiebe

San Pedro Sula hingegen ist eines der schlimmsten Gefängnisse des Landes: Derzeit sitzen dort 2250 Insassen ein - ausgelegt ist es für 500. Lediglich die beiden gefährlichen Banden Mara-18 und Mara Salvatrucha sind in zwei Hochsicherheitstrakten voneinander getrennt inhaftiert. Im Rest des Gebäudes können sich Drogenhändler und Mörder Seite an Seite mit Autoknackern und Taschendieben frei bewegen. Wer in San Pedro Sula landet, ist auf sich alleine gestellt.

Hinter den Mauern ist der Staat nicht mehr präsent, und es gilt das Recht des Stärkeren. Die Häftlinge haben sich ihr eigenes Reich aufgebaut, beengt und prekär zwar, doch bestens organisiert: Friseursalons, Discos, Restaurants, Supermärkte, ein Fitnessstudio. Es gibt Alkohol, Waffen, Handys, Drogen. Weil das meiste davon verboten ist, müssen die Häftlinge die Wächter bestechen. Entsprechend hoch sind die Preise, die sie dann den übrigen Insassen dafür abknöpfen. Wer kein Geld hat, steht ganz unten auf der sozialen Leiter und kann sich nicht einmal einen Schlafplatz in einem der völlig überfüllten Schlafsäle kaufen.

Schlecht dran ist auch, wer auf das offizielle Gefängnisessen angewiesen ist: Reis und Bohnen. Nicht einmal die Teller stellt die Gefängnisleitung, geschweige denn das Mobiliar. Etwa 50 Dollarcents darf ein Häftling pro Tag kosten, mehr ist im Staatshaushalt nicht vorgesehen. Die 24 honduranischen Gefängisse gelten in Expertenkreisen als "Zeitbombe". Dort sitzen 13.000 Menschen ein, gut das Doppelte der Kapazität. 60 Prozent sind noch nicht verurteilt. Frauentrakt und Männertrakt sind nur durch einen langen Gang getrennt, doch das schützt noch lange nicht vor Nachstellungen und Missbrauch. "Ich stand die ersten Tage unter Schock, weinte viel und redete kaum", erinnert sich Doris Brito, die seit Mai 2008 einsitzt. Sie hatte versucht, Flüchtlinge mit falschen Visa in die USA zu schmuggeln. Drei Wochen saß sie in einer Strafzelle drei mal ein Meter. Ohne Licht, mit einer Matratze auf dem Boden und einem unabgeschirmten Plumpsklo.

Die Regeln der Drogenbosse

Brito hatte in einem der privaten Restaurants gegessen und nicht genügend Geld dabei. Die Regeln werden von den Capos der Gefangenen aufgestellt und drastisch durchgesetzt. Wer das Sagen im Knast hat, machen sich die mächtigen Drogenbosse mit Waffen untereinander aus. Ab und zu geht dabei die Anstalt in Flammen auf oder es fliegen menschliche Körperteile über die Mauer.

Inmitten des Grauens gibt es eine kleine Oase: den Bereich der Gefängnispastorale. Er befindet sich in einem abgeschirmten Hof, dort gibt es Bänke unter schattenspendenden Bäumen, darum herum gruppieren sich kleine Pavillons mit einer Bibliothek, einer Kapelle und Lehrsälen. In der Bibliothek können die Gefangenen lesen, es gibt Musik- und Englischkurse, Rechtsberatung, die Möglichkeit, den Schulabschluss nachzuholen oder handwerkliche Kurse zu besuchen.

Hier fertigt Brito Souvenirs gegen ein kleines Gehalt. Für sie, deren Familie in den USA lebt, ist das kleine Einkommen besonders wichtig. Ramón López, der freiwillige "Schuldirektor", verbringt den ganzen Tag mit Unterrichten. "20 Prozent der Häftlinge sind Analphabeten", schildert der wegen Entführung angeklagte Pädagoge. "Der Staat hat uns aufgegeben, aber Gott nicht." (Sandra Weiss, DER STANDARD, 2.4.2012)