Tänzerin und Choreografin Doris Uhlich haut sich ins Zeug, denn Besuch bekam sie bislang nur sehr selten. Das soll sich aber ändern.

Foto: Lisi Specht

Die Tänzerin Doris Uhlich wohnt in einer kleinen Wohnung in Wien-Alsergrund. Michael Hausenblas besuchte sie und erfuhr, dass sie erst lernen muss zu wohnen.

"Meine Freundinnen amüsieren sich bereits köstlich darüber, dass ausgerechnet meine Wohnung in die Zeitung kommt. Sie misst nur 37 Quadratmeter, und in den 14 Jahren, in denen ich hier Mieterin bin, waren nicht mehr als fünf verschiedene Personen bei mir zu Gast.

Meine Bleibe liegt im fünften Stock in einem blau gestrichenen Wohnhaus aus den Neunzigerjahren. Es gibt ein Schlaf-Wohn-Koch-Zimmer, das Bad, einen Abstellraum und einen kleinen Vorraum. Das war's. Ich hatte seinerzeit schon genug vom Albert-Schweitzer-Studentenheim. Und so bin ich, nachdem ich einen Tanzkurs in der Servitengegend belegt habe, in diese Gegend gekommen.

Irgendwie hat mich das Viertel an zu Hause erinnert. Es hat ein bisschen etwas Ländliches. Ich stamme vom Attersee, und Wien war für mich damals wirklich eine große Großstadt. Kurzum, genau hier wollte ich her. Außerdem habe ich hier die U-Bahn und auch noch ein paar Bäume vor der Nase. Und es ist hell und ruhig, gegenüber liegt ein Heim für an Alzheimer erkrankte Menschen, sodass ich nachts das Fenster geöffnet lassen kann.

Dass die Wohnung so klein ist, hat mich nicht gestört. Als ich aus dem Studentenheim rauskam, das damals nicht einmal noch renoviert war, habe ich einfach nur Erleichterung verspürt. Im jetzigen Zustand gibt es die Wohnung erst seit ganz kurzem, denn auf den wenigen Quadratmetern war auch mein Büro untergebracht. Das übersiedelte ins Museumsquartier.

Wohnen war mir bisher nicht wichtig. Was das Private betrifft, war das Ganze eher eine Art Durchzugsstation zum Schlafen. Außerdem war es in diesem Zimmer derart voll, dass ich zum Regenerieren ins Kino gehen musste. So richtig wohne ich erst seit zwei Monaten hier. Das hat auch damit zu tun, dass meine Person im vergangenen Jahr einfach öffentlicher wurde.

Mittlerweile sprechen mich sogar Menschen auf der Straße an. Das ist irgendwie schräg, und je mehr dem so ist, desto stärker ist mir nach Rückzug. Man könnte sagen: Die Spanne zwischen der öffentlichen Doris und jener Doris, die auch mal schlafen muss, ist gewachsen.

Ein ganz wichtiger Schritt hin zum Wohnen war es, die Unmengen von Kieferholz-Kastln rauszuschmeißen, die mir meine Mutter einmal in einer Nacht-und-Nebel-Aktion untergejubelt hat, als ich in Berlin war. Es sah hier aus wie in einem Kiefernwald. Es geht also eindeutig in Richtung 'wohnlicher'. Man könnte auch von einem Neustart sprechen.

Außerdem gibt mir dieses Zuhause seit kurzem die Möglichkeit, eine Doris kennenzulernen, die in mir wohnt. Dazu soll auch gehören, hin und wieder Freunde einzuladen. Das nehm ich mir vor.

Klar ist es immer noch eng hier, und ich denke sehr wohl daran, mir etwas Größeres zu suchen. Etwas Eigenes sollte es sein. Ich hab keine Lust mehr, die Miete in die Luft zu zahlen. Also wenn jemand was hört, bitte melden!

Das wichtigste Möbelstück ist das Bett. Groß muss es sein und über eine gute Matratze verfügen - schließlich verbringe ich in der Wohnung die meiste Zeit im Bett. Ansonsten bin ich keine, die neuen Trends oder besonderen Stücken hinterherjagt - noch nicht. In meinem Büro gibt's allerdings bereits ein paar spezielle Einzelteile, die mich an Dinge erinnern, zum Beispiel einen braunen Lehrersessel. Der lässt mich an meine Zeit im Gymnasium in Vöcklabruck denken.

Konkret dreht es sich bei solchen Objekten um Entdeckungen. Wie bei einer Choreografie. Es geht um eine eher neutrale Landschaft mit Körpern, die Signale senden. In Sachen Einrichten gibt es also absolut Parallelen zu meiner Arbeit. Doch ich möchte mir Zeit nehmen. Das ist wichtig, wenn man Neues finden will, sonst wiederholt man sich nur ständig." (DER STANDARD, 31.3./1.4.2012)