Madrid - In Spanien haben sich am Donnerstag die Gewerkschaften mit einem Generalstreik gegen das Sparprogramm der Regierung gewehrt. In mehreren Branchen wurde jedoch fast normal gearbeitet. Während in Autowerken und zahlreichen Industriebetrieben die Produktion teilweise zum Stillstand kam, waren die meisten Gaststätten, Geschäfte und Banken wie an einem normalen Werktag geöffnet.

Nach Angaben der Madrider Regierung war die Streikbeteiligung "deutlich geringer" als beim vorigen Generalstreik im September 2010. Dagegen bezeichneten die großen Gewerkschaftsverbände CCOO (Arbeiterkommissionen) und UGT (Allgemeine Arbeiter-Union) den Ausstand als einen Erfolg und bezifferten die Beteiligung auf 85 Prozent der Beschäftigten.

Eine Sprecherin des Innenministeriums betonte, die meisten Pendler hätten problemlos ihre Arbeitsstellen erreicht. Einer Vereinbarung zufolge garantierten die Verkehrsvertriebe eine Notversorgung. Demnach fuhr mindestens einer von vier Bussen sowie jeder dritte Zug.

Normalbetrieb am Flughafen

Auf den spanischen Flughäfen herrschte weitgehend normaler Betrieb. Von den 3.400 vorgesehenen Flügen war etwa die Hälfte dadurch geschützt, dass sie unter die mit den Gewerkschaften vereinbarte Mindestversorgung fielen. Nach Angaben der Flughafenbehörde AENA wurden bis Mittag gut 400 Flüge gestrichen. Laut Reiseveranstaltern gab es vorerst kaum Auswirkungen des Generalstreiks. Es gebe allenfalls geringfügige Verspätungen. Allerdings sei der Touristenstrom vor den Osterferien auch noch nicht so groß.

In Madrid waren das Prado-Museum und die anderen großen Pinakotheken für Besucher geöffnet. Die Zeitungen erschienen mit reduzierten Ausgaben und wurden stellenweise verspätet oder gar nicht ausgeliefert.

In den ersten Stunden des Generalstreiks ereignete sich eine Reihe von Zwischenfällen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Streikposten wurden nach Angaben des Innenministeriums neun Menschen verletzt, darunter sechs Beamte. Die Polizei registrierte in der Früh landesweit 58 Festnahmen. In Barcelona errichteten Streikende Barrikaden auf mehreren Zufahrtsstraßen und setzten Autoreifen in Brand.

Einsparungen

Die Regierung des konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy (Volkspartei/PP) sieht sich gezwungen, in den nächsten beiden Jahren rund 60 Milliarden Euro einzusparen. Mit dem Budget 2012 sollen durch Steuererhöhungen, Gehaltskürzungen und Einschnitte beim öffentlichen Dienst mindestens 35 Milliarden Euro zusammenkommen. Damit ist jedoch erst gut die Hälfte des Sanierungsziels erreicht. Rajoy plant, am Freitag neue Sparmaßnahmen bekanntzugeben. Der eintägige Generalstreik richtet sich vor allem gegen die geplante Arbeitsmarktreform, die es Unternehmen erleichtert, Mitarbeiter zu entlassen, die Gültigkeit von Tarifverträgen einschränkt und das landesweite System der Abfindungen einreißt.

Einige Beobachter befürchten bereits, dass sich bald eine weitere Million Spanier bei den Arbeitsämtern melden muss. Schon jetzt leidet das Mittelmeerland mit 23 Prozent unter der höchsten Arbeitslosigkeit in der Europäischen Union. Jeder zweite Spanier unter 25 Jahren ist ohne Job.

Wirtschaftsminister Jose Ramon Pin hatte bereits am Mittwoch betont, die Regierung werde unabhängig vom Ausgang des Generalstreiks an ihrem Sparkurs festhalten und nicht von der Arbeitsmarktreform abweichen. Rajoy hatte zuletzt bei zwei Regionalwahlen Rückschläge einstecken müssen. Die Konservativen erhielten überraschend nicht die absolute Mehrheit.

In Spanien hatten seit dem Ende der Franco-Diktatur (1939-1975) bisher fünf ganztägige Generalstreiks stattgefunden. Nur bei dem Ausstand 1988 gelang es den Gewerkschaften, die Wirtschaft fast komplett zum Stillstand zu bringen. Bei den Streiks 1985, 1994, 2002 und 2010 dagegen wurden die Streikaufrufe der Gewerkschaften nur in einzelnen Branchen befolgt.  (APA, 29.3.2012)