Das Javaneraffenweibchen "Sally" hat an den Intelligenztests mitgemacht.

Foto: Vanessa Schmitt / Deutsches Primatenzentrum GmbH

Göttingen - Die schiere Größe des Gehirns ist für die Entwicklung der Denkfähigkeit nicht so bedeutend, wie früher angenommen wurde. Papageien und Rabenvögel machen vor, dass in einem kleinen Kopf durchaus hohe Intelligenz stecken kann. Und auch innerhalb der Primaten scheint das Gehirnvolumen nicht der einzig aussschlaggebende Faktor zu sein, wie Forscherinnen des Deutschen Primatenzentrums (DPZ) berichten: Sie führten Experimente mit Pavianen und Javaneraffen durch - und diese schnitten dabei ganz ähnlich wie Menschenaffen ab.

Der Hintergrund

Bei Untersuchungen zur Intelligenz stehen meist unsere nächsten Verwandten unter den Menschenaffen im Fokus. Mehrere Studien haben gezeigt, dass Menschenaffen besonders bei Versuchen, die auf die soziale Intelligenz abzielen, menschlichen Kleinkindern unterlegen sind. Dies wird in Zusammenhang mit der kooperativen Natur des Menschen und der Entwicklung der menschlichen Kultur gebracht. Dagegen schnitten Menschenaffen und menschliche Kinder in ihrer physikalischen Intelligenz, wenn es also um räumliches Vorstellungsvermögen, Mengenabschätzungen oder Kausalzusammenhänge geht, ähnlich gut ab.

Offen blieb dabei, ob Menschenaffen auch intelligenter als ihre nächsten Verwandten aus der Gruppe der Altweltaffen sind, die in der Gruppe der Meerkatzenverwandten zusammengefasst sind. Ein Forschungsteam um Vanessa Schmitt aus der Abteilung Kognitive Ethologie am Deutschen Primatenzentrum hat jetzt herausgefunden, dass sich die klare Trennung zwischen Menschenaffen und anderen Primaten weniger auf die kognitiven Fähigkeiten erstrecken dürfte als angenommen. "Die Ergebnisse unserer Untersuchung legen nahe, dass für die Entwicklung der Denkleistung entscheidender ist, an welche Umwelt sich die Affen evolutionär angepasst haben. Genetische Verwandtschaftsverhältnisse oder die Hirngröße spielen eine geringere Rolle", sagt Schmitt.

Die Studie

Schmitt und ihre beiden Kolleginnen führten mit insgesamt 18 Pavianen und Javaneraffen in deren gewohnter Gehege-Umgebung eine Versuchsreihe durch, die "Primaten-Kognitions-Test-Batterie" (PKTB) genannt wird. Um ihr Verständnis von Kausalität zu testen, bekamen die Tiere beispielsweise zwei Tücher gezeigt, auf denen Rosinen lagen. Eines jedoch war zerschnitten. Die Tiere konnten wahlweise an einem der Tücher ziehen - kamen allerdings nur an das Futter, wenn sie das intakte Tuch benutzten. Sowohl Paviane als auch Javaneraffen zeigten sich der Aufgabe gewachsen. Auch die Menschenaffen hatten diese Aufgabe lösen können. Eine Studie mit Menschenaffen aus dem Jahr 2007, die in der Gruppe um Michael Tomasello am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig durchgeführt worden war, lieferte dabei die Vergleichsdaten für die Untersuchung der Göttinger Wissenschafterinnen.

Die soziale Intelligenz der Tiere untersuchten die Forscherinnen beispielsweise, indem sie vor den Tieren auf denjenigen von zwei Bechern deuteten, der Rosinen enthielt. Damit wollten sie prüfen, ob die Affen den Hinweis verstehen und den gefüllten Becher statt des leeren wählen würden. Weder die Affen am DPZ noch die Menschenaffen waren in der Lage, die Hinweise zu nutzen - die beiden Tiergruppen ähnelten einander also im Guten wie im Schlechten. "Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Grenze, die in der Forschung oft zwischen Menschenaffen und den übrigen Arten gezogen wird, vermutlich weniger deutlich ist als angenommen", fasst Schmitt die Ergebnisse der Studie zusammen. (red, derStandard.at, 27.3.2012)