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Ein Ausfall ist verkraftbar, mehrere gleichzeitige Ereignisse können das Land in längere Dunkelheit stürzen.

Foto: AP / Martin Meissner

"Bei einem 48-stündigen, großflächigen Stromausfall hätten wir im Haushaltsbereich echte Probleme", sagt Johannes Reichl: Weitere Infrastrukturen wie die Wasserver- und -entsorgung würden ausfallen, man könnte die Toilette nicht mehr spülen. Leere Handyakkus würden die Kommunikation unterbinden. Ausgefallene Elektronik verhindert, dass Informationen über die Rückkehr der Elektrizität ankommen. Notfälle könnten nicht mehr kommuniziert werden. Der Verkehr würde zusammenbrechen, weil Tankstellen kaum Notstromaggregate hätten, die Ampelanlagen würden nicht mehr funktionieren. Auch den Blaulichtorganisationen würde schnell der Sprit ausgehen. Kurz: "Es wären steinzeitliche Verhältnisse."

Johannes Reichl vom Energieinstitut an der Johannes-Kepler-Universität Linz leitet das vom Verkehrsministerium im Rahmen des Kiras-Programms in Auftrag gegebene Forschungsprojekt "Blackouts in Österreich". Die erste daraus resultierende Studie untersucht die Wahrscheinlichkeiten und Folgekosten großer Stromausfälle. Sie wurde am vergangenen Dienstag im Rahmen einer Veranstaltung im Wiener Haus der Industrie präsentiert.

Die Schäden eines 48-stündigen Ausfalls belaufen sich laut der Studie auf 1,7 Milliarden Euro. Wenn die Wirtschaft stillsteht, so Reichl, würde es nach zwei Tagen kaum ein Unternehmen geben, das noch Wertschöpfung erbringen kann. "Da geht sehr schnell gar nichts mehr." Um die großteils nichtmateriellen Schäden in den Haushalten beziffern zu können, legte man den Menschen in einer Umfrage verschiedene Szenarien vor. Dazu wurde die Frage gestellt, wie viel man zu zahlen bereit wäre, um einen Ausfall zu verhindern.

Nichtmaterielle Folgeschäden

80 Prozent der Menschen würden etwa einen einstündigen Ausfall nicht mit Geld verhindern wollen. Ein 24-stündiges Ausfallsszenario würden nur mehr 35 Prozent nicht abwenden wollen. Internationale Studien zeigen, dass die Zahlungsbereitschaft sinkt, wenn man kürzlich einen Stromausfall erlebt hat. "Die Leute neigen dazu, die Folgen für die Stromausfälle für sich zu überschätzen", so Reichl. Der erste Ausfall sei der härteste, weil keiner damit umgehen kann.

In Österreichs hochentwickelter Dienstleistungsgesellschaft seien viele der Meinung, dass für die Ausfallssicherheit ausschließlich der Staat zuständig sei. Neue Regulierungssysteme sollen Anreize für Strombetreiber auf einem liberalisierten Markt setzen, um die Qualität hoch zu halten. In Schweden müssen Haushaltskunden von den Betreibern etwa Entschädigungen für Stromausfälle bekommen.

Einen einstündigen Ausfall an einem Werktag beziffert die Studie mit 150 Millionen Euro, also knapp ein Zehntel eines 48-stündigen Ausfalls. In Betrieben und in der Industrie gebe es viele Bereiche, wo kurze Ausfälle schon ein Problem sind. Ein Autolackierer, der bei seiner Arbeit unterbrochen wird, muss nicht nur von vorn anfangen, sondern auch die getrocknete Farbe wieder abschleifen. Einer Papierfabrik, die nicht geordnet abschalten kann, verursacht ein neuerliches Anlaufen hohe Folgekosten. Kurze Ausfälle verursachen in Relation also höhere Kosten als längere. Viele kleine Ausfälle kämen teurer als ein langer Ausfall, so Reichl.

Seriöse Prognosen enden mit 48 Stunden

Die Prognosen der Studie enden bei einem Zeitrahmen von 48 Stunden. Seriöse Vorhersagen über einen längeren Zeitraum wären nicht möglich. " Man weiß nicht, wie die Bevölkerung reagiert, ob es Panik oder Vandalismus gibt", sagt Reichl.

Aber was kann überhaupt zu einem großen Ausfall führen? "Im Fall eines koordinierten Angriffs auf das Stromnetz oder wenn einige für sich genommen unkritische Ereignisse zusammenkommen, besteht keine Chance, einen großflächigen Stromausfall in Österreich zu vermeiden", sagt Wolfgang Gawlik von der TU Wien, der an der Studie mitarbeitete.

Das Netz ist redundant genug, dass der Ausfall von ein oder zwei großen Leitungen, etwa durch Unwetter, kein Problem ist. Wenn sich aber mehrere solcher Ereignisse verketten, kann es zu Überlastung und zum Ausfall kommen. Gawlik: "Ohne Netzausbau steigt die Wahrscheinlichkeit von großflächigen Stromausfällen bei zunehmender Netzbelastung rapide an."

"Sowohl auf der Seite der Stromaufbringung als auch auf der des Verbrauchs erleben wir momentan einen starken Wandel", sagt Reichl. Wenn etwa in peripheren Lagen eine ganze Siedlung Fotovoltaikanlagen auf den Dächern hat, kann es an heißen Tagen zu Lastspitzen kommen, die "das Netz nicht wegbringt".

Wenn auf der anderen Seite die Besitzer von Elektroautos am Abend ihr Fahrzeug anschließen, wird dem Netz eine gewaltige Spitzenleistung abverlangt werden. (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 28.3.2012)