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Schneller als ihr Schatten sind diese Dromedare in der Rub-al-Khali-Wüste nicht.

Foto: George Steinmetz/Corbis

Anreise: Umsteigeverbindung mit Austrian/Lufthansa über Frankfurt oder ohne Zubringer mit Etihad Airways ab München nonstop nach Abu Dhabi.
Leihwagen z. B. bei Sunny Cars.
Doppelzimmer im zur Anantara-Gruppe gehörenden Hotel "Qasr al-Sarab" in der Wüste (Tel.: 00971/28 86 20 88).

Vom Autor dieses Beitrags ist der Band Sand zu Gold, Wüste zu Geld - Reportagen Persischer Golf erschienen (Picus-Verlag Wien; im Buchhandel für 14,90 €).

Weitere Infos: Abu Dhabi Tourism Authority, Goethestraße 27, 60313 Frankfurt, Deutschland.Tel.: 0049/69/299 253 920

Grafik: DER STANDARD

Beim Abendessen im Sand der Dünen gibt es nur noch zwei Geräusche. Das eine ist das Knistern des Lagerfeuers, das andere der Klang der Saiten einer Oud, eines bauchigen traditionellen Musikinstruments. Tagsüber war es nichts als ein Rauschen wie im Laubwald, das in der Luft lag - obwohl es hier in der Rub-al-Khali-Wüste keine Blätter gibt. Es war wie das Plätschern eines Wasserfalls - obwohl es hier außerhalb der Liwa-Oasen kein Wasser gibt. Allein der Wind war schuld. Ständig sortierte er die Körnchen des Sandes neu, brachte sie zum Tanzen, saugte sie in den Himmel und ließ sie wieder fallen. Er rieb sie aneinander, scheuerte damit an den Zeltplanen und der vergessenen Mauer aus Lehm keine zweihundert Meter von der Feuerstelle des Abends. Nun ist der Wind gegangen und versucht sich für die nächsten paar Stunden nicht mehr als akustischer Illusionskünstler.

Ali al-Mansouri lauscht den tiefen Klängen der Oud, schaut versonnen in Richtung Feuerstelle und stochert mit einem Stock in der Glut. Der Mann mit dem pechschwarzen Vier-Tage-Bart erinnert sich noch gut daran, als seine Eltern hier mit Kamelen und Zelten durch die Wüste zogen - und er in diesem riesigen Sandkasten weit im Hinterland von Abu Dhabi mit seinen Brüdern spielte und Tiere beobachtete: "Es gibt hier Gazellen, es gibt mancherorts sogar kleine Echsen. Die Wüste ist voller Leben. Noch heute, noch immer. Nur brauchst du einen Blick dafür - und du musst wissen, wo sie sich aufhalten."

Die Rub al-Khali ist die größte zusammenhängende Sandwüste des Planeten mit gut 650.000 Quadratkilometern Gesamtfläche. Sie reicht von den Emiraten bis weit nach Saudi-Arabien hinein, erstreckt sich bis in den Oman und nach Jemen, und sie bedeckt etwa ein Viertel der Arabischen Halbinsel.

Sie fühlt sich freundlich an, wenn sie zwischen den Fingern hindurchrinnt: kühl, fast ein bisschen klamm am Morgen, warm schon kurz danach, zu heiß am Nachmittag, um barfuß dort zu laufen. Der Sand wirkt wie geharkt, kunstvoll mit Ornamenten im Kies versehen wie ein japanischer Ziergarten, gepflegt wie ein mit der Nagelschere gestutzter englischer Rasen: so akkurat hergerichtet, dass man die Dünen anfangs gar nicht betreten mag, um nur ja nicht das schöne Muster zu zerstören. Dabei malt der Wind es beständig neu und überpinselt jede Fußspur in Minuten, radiert jeden Pfad einer Dromedarkarawane binnen weniger als einer Stunde für immer aus. Er tut es mit nichts als dem Baumaterial dieser in ständiger Bewegung begriffenen Berge. Ali al-Mansouri fährt sich mit der rechten Hand über den Bart, nimmt noch einen Schluck kochend heißen Minztees mit viel Zucker, zupft seine schneeweiße Dschellaba zurecht und erzählt: "Diese Wüste ist mein Zuhause, früher ganz und gar, heute zumindest auf Zeit - und immer im Geiste. Jedes Mal ist genauso wie damals, wie vor dreißig Jahren an der Seite meiner Eltern. Als ich klein war und hier im Sand aufwuchs, spielten wir Fangen zwischen den Dünen, fuhren Achterbahn, und der Wagen war dabei der eigene Körper, wenn wir Anlauf nahmen und die Sandberge mit Karacho hinunterrutschten."

Er hat den extremen Zeitsprung binnen nur anderthalb Generationen am eigenen Leib miterlebt, den seine Heimat gemacht hat. Nomaden gibt es hier, gut 250 Kilometer im Hinterland der Emirate-Hauptstadt Abu Dhabi, nicht mehr, und die Einheimischen sind längst in klimatisierte Häuser umgezogen. Die Orientierung verloren hat er dabei nicht - nicht als Mann der Wüste, der es gewohnt ist, keine Spuren zu übersehen und überall einen Weg zu finden, auch jenen zwischen den Zeiten. Seine zwei Handys sind immer griffbereit, sein Zelt steht in der Wüste, seine Villa mit Pool in Abu-Dhabi-Stadt.

Wenn er die Welt aus Sand verlässt, steigt er um in seinen 600er-Mercedes, der unterdessen am Rande der Asphaltstraße auf dem Grundstück einer Überlandraststätte abgestellt war. Wenn er zu seiner Kamelfarm zwischen den Dünen will, sitzt er im Toyota Landcruiser. Und wenn er weiter hineinwill in diese gewaltige Wüste, dann steigt er wieder um auf den Rücken eines Kamels. "Es ist wichtig, überall zu Hause zu sein und sich zurechtzufinden. Das erleichtert das Leben. Und es macht es vielfältiger."

Jene Täler dieser fast roten Dünen in der Rub al-Khali, übersetzt bedeutet der Name "das leere Viertel", waren einst das Wohnzimmer der Ahnen. Der Sand war ihr Sofa, ein ausgebreitetes Tuch aus dunkelrotem Stoff mit eingewebten Mustern der Tisch, der Sternenhimmel die Abendbeleuchtung.

Navigation nach den Sternen

Navigiert haben die Nomaden früher auf ihren Reisen zwischen all dem Sand wie auf dem Meer. "Wir haben die Karawanen anhand der Sterne gelenkt", erzählt Ali al-Mansouri. "Und wenn du dich hier auskennst, dann bietet dir die Farbe des Sandes Hilfestellung, so wie der Seemann etwas aus der Farbe des Wassers über Tiefen und Untiefen und Strömungen herauslesen kann. Und die Grenze zu Saudi-Arabien erkennen wir an einer Pflanze, die schon immer nur dort wuchs und die wir al-Haz nennen."

Was er heute beruflich macht? Ali hat eine Kamelfarm in den Dünen und beschäftigt drei afghanische Hirten, die dort in Jurten im Sand leben und sich um die Tiere kümmern. Manchmal ist Ali bei ihnen, übernachtet mit ihnen in der Wüste - am liebsten im Freien, um den Sternenhimmel zu sehen, ehe ihm die Augen zufallen.

Was Ali al-Mansouri besonders freut? "Immer wieder zuzuschauen, wie jetzt auch Fremde von weither unsere Wüste entdecken", sagt er. "Wie sie vorsichtige Schritte in den Sand machen. Wie sie die Körnchen durch ihre Finger rinnen lassen und mit dem Sand spielen. Sie sind zart zur Wüste. Weil sie beeindruckt sind von der Kraft dieser Landschaft."

Was Ali al-Mansouris Eltern heute am meisten erstaunen würde? Dass jetzt Tag für Tag Kinder in Badehose an der Stelle in einem gemauerten Swimmingpool spielen, wo sie einst ihr Lager aufschlugen - hier in der Wüste. Scheich Khalifia bin Zayed al-Nahyan, Herrscher von Abu Dhabi, ist schuld daran. Mit Multimillionenaufwand ließ er genau dort ein Hotel errichten, wo man am wenigsten damit rechnen würde: zwischen bis zu 200 Meter hohen Dünen, ganz im Stil einer alten Beduinenfestung aus Lehm, mit Wachtürmen, Torbögen, mit kühlen Gängen, mit Brunnen - und abweichend von der Tradition mit allem Luxus. Mit Schwimmbad und Feinschmeckerrestaurants. Die Fantasieburg in den Dünen der Rub al-Khali nahe der Liwa-Oasen hat tagsüber fünf Sterne und nachts all die Abermillionen am Wüstenhimmel.

Wenn es ruhig zugeht auf der Kamelfarm weit weg in den Dünen, dann ist Ali al-Mansouri hier zu Besuch: um den Fremden von damals zu erzählen. Manchmal begleitet er sie bei Ausflügen, setzt sich mit ihnen ans Lagerfeuer.

Ist denn diese Wüste anders als andere? "Ja", sagt Ali al-Mansouri. "Nur diese ist meine." Er lacht. "Und sie ist leerer, einsamer. Härter. Und schöner." Wenn er sich entscheiden müsste zwischen gestern und heute, zwischen Zelt oder Villa, Wüste oder Stadt. Was wäre ihm lieber? "Beides", sagt er und schaut erst in die Glut des Lagerfeuers, dann auf die neue SMS auf dem Display seines Handys. (Helge Sobik/DER STANDARD/Rondo/23.3.3012)