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Sarkozy kann sich als "Beschützer der Nation" inszenieren.

Foto: Reuters/Wojazer

Einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen ist Nicolas Sarkozy wieder einmal im Element. Sogar die regierungskritische Zeitung Le Monde räumt ohne Wenn und Aber ein: "Die Affäre um den Killer von Toulouse und Montauban ist ein Erfolg für den amtierenden Präsidenten." In den Umfragen zurückliegend, aber langsam aufholend, kann sich Nicolas Sarkozy nun erneut als der Troubleshooter präsentieren, der für Recht und Ordnung sorgt und die Nation "beschützt" - ein Wort, dass die präsidialen Kommunikationsberater seit Wochen im Mund führen. François Hollande, der bisher so souveräne sozialistische Rivale, versucht verzweifelt, den Ereignissen zu folgen und staatsmännische Erklärungen abzugeben. Sie werden kaum gehört - während Sarkozy als Staatschef die aktive Rolle spielt. Er besuchte als erster die Tatorte und am Mittwoch das Viertel in Toulouse, wo sich der Serienmörder verschanzt hatte.

Danach hielt der Präsident die Trauerrede für die erschossenen Soldaten. "Die Republik ist nicht gewichen, sie ist nicht schwach geworden", meinte er am Mittwoch in Montauban, wobei er die Erschiessung drei jüdischen Schulkindern, einem Rabbiner und drei Soldaten als "terroristische Hinrichtung" bezeichnete. "Seine Verbrechen werden nicht ungesühnt bleiben", versprach er, während der mutmassliche Täter fünfzig Kilometer weiter in Toulouse noch "umzingelt" war, wie Sarkozy anfügte.

Zuvor hatte der Staatschef gemessen erklärt, man dürfe "weder einem Amalgan noch der Rache aufsitzen". Gemeint war, die Islamisten und die grosse Mehrheit der Moslems nicht in den gleichen Topf zu werfen - und keine Todesstrafe für den Täter zu verlangen. Genau das zieht die Front-National-Kandidatin Marine Le Pen als eine Möglichkeit in Betracht.

Die Rechtsextremistin warf Sarkozy am Mittwoch vor, er habe die Islamistengefahr unterschätzt. Die grüne Kandidatin Eva Joly kritisierte allgemein "diskriminierende und stigmatisierende Reden", womit sie Sarkozys Wahlkampfvoten gegen Immigranten und Arbeitslose meinte.

Fragen über die Rolle des Geheimdenstes

Dem Präsidenten machen allerdings nicht diese verbalen Scharmützel Sorgen. Es sind drei andere Punkte.

Laut Pariser Medien wies Sarkozy subalterne Berater und Minister an, keine selbständigen Presseerklärungen zu "Toulouse" abzugeben. Offenbar befürchtet das Elysée, dass der Erfolg in letzter Minute durch einen Fehler zunichte gemacht werden könnte - wie 2004 in Spanien, als Regierungschef José Maria Aznar die Anschläge von Madrid zuerst fälschlicherweise der Baskenorganisation ETA zuwies und darauf die Wahlen verlor.

Die Linksopposition wird zudem genau nachprüfen, was der Geheimdienst von dem Täter im voraus gewusst hatte oder hätte wissen müssen. M. stand mit islamistischen Kreisen in Verbindung, wurde aber nur punktuell überwacht. Sollte sich erweisen, dass die Polizei unter dem Sarkozy-Vertrauten und Innenminister Claude Guéant geschlampt hatte, könnte sich der schnelle Erfolg bei der Suche nach dem Täter noch viel schneller in einen wahlpolitischen Bumerang verwandeln.

Möglicherweise doch Le Pen der große Nutzniesser

Und drittens frage man sich im Elysée, ob letztlich nicht Marine Le Pen die grosse Profiteurin der Anschläge sein könnte. Sie will dadurch gegenüber Sarkozy so stark aufholen, dass das Szenario 21. April 2002 für wieder in Griffweite rückt. Damals drang Jean-Marie Le Pen sensationelle in die Stichwahl. Jetzt muss nicht so sehr Hollande, sondern Sarkozy eine Wiederholung befürchten. Doch selbst wenn Le Pen dank „Toulouse" zulegen sollte: Diesmal wird auch Sarkozy profitieren. Jede Tragödie hat ihre Nutzniesser. (derStandard.at, 21.3.2012)