Sperren oder löschen? Das ist die oft gestellte Frage, wenn es darum geht, strafrechtlich relevante Inhalte aus dem Internet zu entfernen. Nicht nur in Österreich, auch auf EU-Ebene werden diese Möglichkeiten vor allem im Zusammenhang mit kinderpornografischen und neonazistischen Inhalten immer wieder diskutiert. Brisant ist diese Auseinandersetzung deshalb, weil im Global Village unterschiedliche nationale Bestimmungen kollidieren.

Technisch ist es beispielsweise kein Problem, eine österreichweite Sperre zu veranlassen, ohne einen ausländischen Betreiber der Seite um Zustimmung zu fragen. Die Seite ist dann einfach in Österreich nicht mehr erreichbar, im Ursprungsland und in anderen Ländern aber schon. Im Fall von sexueller Ausbeutung von Kindern hätte die Akzeptanz einer derartigen Sperre wohl eine breite Zustimmung. Dies auch deswegen, weil Gewalt gegen Kinder glücklicherweise weltweit geächtet wird, unabhängig von ideologischen Weltanschauungen.

Aber was, wenn es um NS-Wiederbetätigung oder das Leugnen des Holocausts geht? Unter (hoher) Strafe stehen derartige Delikte in Österreich, in Deutschland und teilweise noch in anderen Ländern. In den meisten Staaten wird hingegen die Meinungsfreiheit grundsätzlich höher bewertet. Und auch heimische Neonazis beweisen immer wieder, wie einfach es ist, vom Ausland aus ihre Ansichten zu verbreiten.

Im Fall der Alpen-Donau-Nazis ist es zwar - unter nicht ganz geklärten Umständen - gelungen, einen US-Server zum Löschen der Seite zu bewegen. Abgesehen davon, dass die rechten Recken (trotz zwischenzeitlicher Verhaftungen in Österreich) unter einer anderen Domain längst wieder im Netz sind, hat damals wie heute aber niemand eine Sperre gefordert.

Der Ruf nach Zensur ist also grundsätzlich abhängig von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Das treibt nicht nur in China oder Russland, wo politisch unerwünschte Inhalte gesperrt werden, seltsame Blüten. Als im Vorjahr in England die Jugendkrawalle losgingen, forderten Politiker, dass bestimmte Netzwerke gesperrt werden, um die Kommunikation von angeblichen Rädelsführern zu unterbinden. Die Maßnahme wurde zwar nie umgesetzt, aber allein die Idee zeigt, wie schnell es auch in Großbritannien mit der dort sonst so hoch gehaltenen Redefreiheit vorbei sein kann.

Abgesehen von der grundsätzlichen Frage, ob schwere Verbrechen beziehungsweise deren Verhinderung möglicherweise Zensur rechtfertigen, muss man aber auch im Einzelfall die Sinnhaftigkeit überprüfen. Gerade im Kampf gegen Kinderpornografie sind Web-Sperren wohl kein geeignetes Mittel. Denn dass Österreich (oder Europa) seine Firewall hochfährt, in anderen Ländern die Bilder und Filme aber weiter im Netz bleiben, ist keine zufriedenstellende Lösung. Wie immer gilt es, das Problem an der Wurzel zu packen, und die liegt dort, wo grässliche Inhalte hochgeladen werden. Ziel muss also das endgültige Löschen von inkriminierten Daten sein.

Nicht zu unterschätzen ist zudem die selbstreinigende Kraft im globalen System. Die Mehrheit der User zieht am gleichen Strang, wie Meldungen über illegale Inhalte zeigen. Dass die Hinweise auf kinderpornografische Abbildungen jetzt zurückgegangen sind, bedeutet sehr wahrscheinlich, dass das Angebot im WWW bereits weniger geworden ist. (Michael Simoner, DER STANDARD, 22.3.2012)