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Valletta - "Niemand hat verstanden, warum sie so lange einsperrt werden, obwohl sie keine Kriminellen sind. Die letzten Monate waren die schlimmsten, viele sind psychisch krank geworden", erzählt Mauro Pace Parascandalo, Generaldirektor des Roten Kreuzes auf Malta im Gespräch mit dem STANDARD.

Vergangenes Jahr strandeten 14 Boote mit Flüchtlingen auf der knapp 400.000 Einwohner zählenden Mittelmeerinsel Malta. Sie waren aus Tunesien oder Libyen in Richtung Italien unterwegs gewesen. Die "Fracht": etwa 1600 Menschen, die meisten aus Eritrea, Somalia und dem Irak. Unter den Gestrandeten waren auch 140 Kinder.

Der "Besucheransturm" traf Malta unvorbereitet: "Die Behörden waren überfordert. Die Asylkommission der Insel bestand bis vor kurzem noch aus einem Mitarbeiter", erklärt Parascandalo. Inzwischen sei sie auf vier angewachsen. Die Gestrandeten wurden in Kasernen nahe den Städten Safi, Hal Far und Floriana gebracht.

"Man hat sie dort eingesperrt", erzählt Parascandalo. Für einige unter ihnen dauert der Zwangsaufenthalt mittlerweile 15 Monate. Die genaue Zahl der Inhaftierten lässt sich nur erahnen. Laut Rotem Kreuz seien 680 der Flüchtlinge bis heute inhaftiert. Etwa 400 Menschen wurden freigelassen, etliche in ihre Herkunftsländer zurückgeschoben.

Ab heute, Montag, kommt aber Bewegung in die Sache: Die Polizeikaserne in Hal Far wird zu einem offenen Lager umgewandelt. Die anderen Zentren sollen folgen. "Die Menschen können sich dann frei auf Malta bewegen, die Insel dürfen sie nicht verlassen", erklärt Parascandalo. Etwa 180 Menschen aus Eritrea bleiben weiter eingesperrt: "Bei ihnen wird noch geklärt, ob sie in die Heimat zurückgeschoben werden können."

Der maltesische Botschafter in Wien, Noal Scicluna, rechtfertigt die Unterbringung der Flüchtlinge: "Es war ja kein Gefängnis, sondern ehemalige und unbenutzte britische Militärbaracken. Hätten wir anders gehandelt, wäre ein noch größeres Problem entstanden."

Parascandalo zieht inzwischen Bilanz: "Einige der Inhaftierten mussten im Krankenhaus psychologisch betreut werden. Es leben heute auch sechs Neugeborene in den provisorischen Unterkünften." Der stellvertretende Leiter der UNHCR-Kommission für Malta, Michele Manca Di Nissa, meint zu den Inhaftierungen: "Die Sache war jedenfalls untragbar."

Mit dem EU Beitritt 2004 wird Malta zum südöstlichen Vorposten der Union vor Afrika. "Wir benötigen dann mehr Hilfe", meint Parascandalo. Botschafter Scicluna hofft auch auf die EU: "Das Problem sollte kleiner werden, weil wir es dann mit anderen teilen" und er fügt hinzu: "Auch die Regierung auf Malta hat dazugelernt." (DER STANDARD, Printausgabe, 16.6.2003)