Wien - Künstlerische Vielfalt, Experimente und Herausforderungen kennzeichneten das diesjährige Imagetanzfestival an den drei Spielstätten des Brut-Theaters, in dem mehr als zwei Wochen hindurch Tanz und Performance aus der jungen heimischen und internationalen Szene zu sehen waren.

Den Abschluss am Wochenende machten die Spanierin Cuqui Jerez mit ihrer Installationsperformance Crocodiles and Alligators und Lieve de Pourcq mit der Projektionschoreografie Pieces matter. Jerez hat ihr Publikum nicht geschont. In einer langen Abfolge aus sekundenkurzen Szenen, die durch Blackouts voneinander getrennt waren, wurden Bestandteile der Theater-Infrastruktur Stück für Stück auf die Bühne geräumt. Vom kleinen Transportwagerl bis zum Spindkasten, vom Scheinwerferstativ bis zu Bohrmaschine, Kästchen, Leiter und Tischlampe.

In den Momenten der Dunkelheit waren die Geräusche des Hereinschiebens zu hören: unsichtbare Arbeit. Zur Halbzeit des Stücks tauchte inmitten all der Objekte, in jeder Szene in anderer Position stehend, sitzend oder liegend und immer anders gekleidet, eine Frau auf. Theaterrauch, künstlicher Schnee, ein schwebendes Vorhangteil kamen dazu. Ab da wurde Crocodiles and Alligators zu einer Diashow aus immer wieder anders beleuchteten Tableaux vivants.

Eine sehr ironische Arbeit über das scheinbar Unwichtige im Theater, in das die Performerin Ismeni Espejel wie ein weiteres Objekt eingefügt wurde. Am Ende räumten Espejel und Gilles Genter, der bis dahin als Heinzelmännchen im Finstern gewerkt hatte, alles wieder hinter einen schwarzen Vorhang. Warum Jerez dann noch einen didaktischen Epilog aus angewandter Semiotik anfügte, bleibt ein Rätsel.

Lieve de Pourcq, Pendlerin zwischen Wien und Belgien, nutzte einen Overheadprojektor und einen Videobeamer für ihr Schattenspiel Pieces matter, in dem sie das Einlassen von Licht und das Verstellen von bilderzeugenden Lichtquellen zu einer poetischen Versuchsanordnung verband. Ein Stück wie eine Skizze, die es durchaus wert ist, noch weiterentwickelt zu werden. Bei Imagetanz werden, es ist ein gutes Zeichen, auch künstlerische Baustellen hergezeigt und nicht nur perfekte Produkte aus den Regalen des Markts. Es werden auch künstlerische Risiken forciert. Wie bei Kein Applaus für Scheiße von Florentina Holzinger und Vincent Riebeek - ein schiefes, cooles Szenengebäude aus einer Mischung aus Virtuosität und vorsätzlichem Dilettantismus, in dem einiges an Säften aus dem Körperinneren heraus auf die Bühne durfte.

Bei einer respektablen Auslastung von 85 Prozent (ohne Partys) war Imagetanz wieder eine Einladung, sich mit neuer kritischer Kunst nicht nur im Sinn ihres ästhetischen Versorgungscharakters oder ihrer didaktischen Fähigkeiten zu beschäftigen. (Helmut Ploebst, DER STANDARD, Printausgabe, 20.3.2012)