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Die Probleme der unterschiedlichen Test-Ergebnisse beginnen schon viel früher.

Foto: APA/Robert Jaeger

Ob das eine gute Idee ist? Die Medizin-Uni in Wien will künftig den seit 2005 eingesetzten EMS-Test nach Geschlecht separiert beurteilen (derStandard.at berichtete). So will man gegen das seit Einführung der Aufnahmetests an den Medizin-Unis bestehende Problem angehen, dass Frauen eine niedrigere Erfolgsquote bei den EMS-Tests haben. 2011 unterzogen sich 56 Prozent Frauen dem EMS-Test an der Medizin-Uni Wien, zugelassen konnten aber nur 43,1 Prozent werden. 

Nun würde kein vernünftiger Mensch behaupten, das liege daran, dass Frauen weniger intelligent seien. Es muss andere Gründe dafür geben, dass zwar weniger Männer antreten, letztendlich aber bessere Chancen auf den Weg in den angesehenen MedizinerInnen-Beruf haben als Frauen.

Test selbst im Fokus der Kritik

Solche Gründe sehen KritikerInnen des EMS-Testes im Testverfahren selbst. Der in der Schweiz entwickelte Test erfordert die Interpretation von Tabellen, räumliches Vorstellungsvermögen sowie Merkfähigkeit und fragt Fähigkeiten aus zehn Bereichen ab. Soziale Kompetenz würde allerdings zu wenig Berücksichtigung finden, was zur strukturellen Benachteiligung von Frauen beitrage. 

Soziale Kompetenz ist natürlich auch Frauen nicht von Geburt an eingeimpft, vielmehr werden in unserer sozialen Welt Fähigkeiten bei den einen stetig gefördert und bei den anderen gehemmt. Und diese stillen, aber sehr wirksamen Empfehlungen wirken bekanntlich nicht nur geschlechts-, sondern auch schichtspezifisch. Das Ergebnis dieser Anreize über das eigene Umfeld, über die Schule und über Rollenbilder, wer was besser kann und wer in welchen Beruf passt, kennen wir: Die Unis sind voll von Studierenden mit AkademikerInnen-Eltern, die Medizin-Unis voll von Kindern mit Ärzte-Papas und Ärztinnen-Mamas. Die Sozialwissenschaft hat es bestätigt, immer wieder und schon vor langem: Bildungskapital bleibt dort, wo es schon ist, in der jeweiligen sozialen Schicht und eben auch beim jeweiligen Geschlecht. Fakten, die im Übrigen den Sinn von zusätzlich installierten Zugangsbeschränkungen zweifelhaft erscheinen, gibt es doch schon genug informelle Barrieren.

Erniedrigende Symbolik

Es reicht daher nicht, beim EMS-Test das Auswertungsverfahren zu ändern, um so mehr Frauen in das Studium zu bekommen - was noch dazu eine doch sehr erniedrigende Symbolik hat. 

Dass es auch anders geht, wurde in Graz bewiesen. An der Medizin-Uni Graz verzichtete man auf den EMS-Test und zimmerte einen eigenen Aufnahmetest (dieStandard.at berichtete). Dieser unterscheidet sich vom EMS-Test vor allem darin, dass er die Möglichkeit der Vorbereitung bietet, denn Evaluationen der Testergebnisse in Graz zeigten: je besser die Möglichkeit zur Vorbereitung, desto besser für die Chancengleichheit. Und auch der Aspekt der sozialen Kompetenz wird in Graz stärker berücksichtigt, ein Wissen, zu dem Frauen nun einmal noch immer stärker angehalten werden.

2011 ging das Konzept in Graz erstmals auf: 58 Prozent Frauen traten beim Test an, 51 Prozent konnten das Studium auch antreten. 

Die Wiener Lösung ist hingegen ein verpatzter Ansatz gegen strukturelle Benachteiligung. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 15.3.2012)